Brühler Kunstverein
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stadteinwärts - Claudia Mitzinneck

Malerei und Objekte

Ausstellung vom 10. April bis 7. Mai 2005

Claudia Mitzinneck beschäftigt sich seit einigen Jahren mit Städten auf der Grundlage von Stadtplänen. Dabei interessiert sie besonders die Stadtstruktur. Es geht um das Vermitteln von Stimmungen und Lichverhältnissen sowie einem Gefühl von Geschwindigkeit. Rhythmus, sich Fortbewegen, Spazierengehen - die Arbeiten stellen Stadtspaziergänge dar, eine Art "erlebten Stadtplan".
Die einzelnen Arbeiten sind als eine Momentaufnahme zu verstehen. Sie beschreiben einen bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit. Wichtig ist, dass Original-Informationen des Stadtplans noch zum Teil lesbar sind, obwohl sie in einen neuen Zusammenhang gestellt werden.
Außerdem zeigt die Künstlerin in der Ausstellung in der Alten Schlosserei gestickte Städtekissen. Diese basieren auf denselben Inhalten wie die Malerei. Wege werden hier reduziert auf ihre Form.

Biografische Angaben

Claudia Mitzinneck wurde am 23 August 1967 in Hannover geboren. Von 1986 bis 1991 absolvierte sie ein Studium der Freien Kunst an der Kunstakademie Stuttgart bei Prof. J. Hämmerle und Prof. W. Gäfgen. Anschließend studierte sie bis 1995 an der HBK Braunschweig bei Prof. M. Sartorius und Prof. K-C. Schulz. Seit 1994 ist sie Meisterschülerin von Prof. Malte Sartorius. 1995 erhielt sie ein Arbeitsstipendium des DAAD für New York.




©Mitzinneck

Ausschnitt aus einem Städtekissen

 

Seit 1991 hat sie viele Ausstellungen, u.a. Einzelausstellungen in der Galerie Apex, Göttingen (Stadtlandfluß), im Kunstverein Springe (Because the night), im Kunstverein Trier (NachtWege) und im Kunstraum Reihe 22 in Stuttgart (Stadt Land Kissen).



 NachtWege und andere Pfade

Einen Stadtplan oder eine Landkarte hat sicher jeder schon einmal in der Hand gehabt. Man benutzt ihn um sich in einer fremden Umgebung zu orientieren, um sich Überblick auf eine Stadt zu verschaffen oder um eine bestimmte Straße zu finden. Die Künstlerin Claudia Mitzinneck benutzt Stadtpläne noch in einem ganz anderen Sinn, sie dienen ihr als Ausgangsmaterial für ihre Bilder und Objekte. Davon gibt es in der Brühler Ausstellung "stadteinwärts" u.a. eine ganz neue Serie zu sehen.

Die Wege, die sie in ihrem täglichen Umfeld, aber auch in fremden Städten zurücklegt, haben eine große Bedeutung für Claudia Mitzinneck. Die Arbeit "NachtWege" zeigt verschiedene Verbindungen zwischen zwei ihr wichtigen Aufenthaltsorten quer durch ihre Wohnstadt Berlin. Sie variiert ihre Pfade, nutzt nicht immer den gleichen direkten Weg.




Berlin

 

Es ist der Künstlerin wichtig, diese Wege für sich festzuhalten, ergänzt von bestimmten, nur für sie wieder erkennbaren Punkten. Als Grundlage dafür benutzt sie vergrößerte Ausschnittkopien eines detaillierten Stadtplanes, die sie auf den Bildträger aufzieht. Mit Acrylfarbe, lasierend aufgetragen, übermalt sie diese in vielen Schichten. Dabei verändert Claudia Mitzinneck jedoch die Strukturen, verändert Straßenverläufe oder deren Bedeutung durch Hervorhebung oder Übermalung. So entsteht ihr ganz privater Plan, jedoch ein Betrachter, der die Stadt gut kennt, wird sicher einige exponierte Punkte wieder erkennen.

Bei den ganz neuen Arbeiten der Jahreszeiten-Serie handelt es sich ebenfalls um Straßenzüge in Berlin. Es handelt sich jeweils um dieselbe Region, lediglich in jedem Bild etwas verschoben. Neben der örtlichen Komponente ist der Künstlerin hier auch die zeitliche sehr wichtig. Bisher gibt es drei Winter- und drei Frühjahrsbilder sowie ein Sommerbild. Vergisst man einmal, dass es sich um Straßenkarten handelt, sieht man ein Strukturgeflecht, das sich mehr oder weniger deutlich unter den Farbschichten abzeichnet. Die Wege sind noch vorhanden, aber es ist weitaus mehr von den Erfahrungen der Künstlerin in die Arbeiten eingeflossen als die bloße Wahrnehmung einer vertrauten Umgebung. Claudia Mitzinneck sieht ihre Karten als "eine Art ‚erlebten' Stadtplan an. Das Gefühl für die Stadt, das Spazierengehen, die Stimmung, den Rhythmus, all das möchte ich wiedergeben" (Zitat Claudia Mitzinneck, Katalog New York). Es ist also ein persönlicher Zustandsbericht. Die Zuordnung zu einer Jahreszeit durch die Titel sowie die Farbgebung, die wie ein Schleier über dem Geflecht liegt und als ein bestimmtes Licht interpretiert werden kann, geben auch dem Betrachter Einstiegsmöglichkeiten in diese Welt.

Noch strukturierter sind die Objekte, die man auch als Kissen bezeichnen kann. Darauf sind ebenfalls Ausschnitte aus Karten wiedergegeben. Erkennbar sind Straßen, Gewässer, Häuseransammlungen - und diese sind vielleicht sogar noch zuzuordnen, wenn man den Titel kennt, weiß, um welche Stadt es sich handelt und sich darin auskennt. Doch diese Ebene tritt hier in den Hintergrund. Claudia Mitzinneck hat in dieser Form eine Möglichkeit gefunden, ganz bestimmte Details, die für sie eine persönliche Bedeutung besitzen, noch exponierter darzustellen.

Günter Wagner



Lesung von Ulrike Schröder zur Vernissage :

Ganz einfach, es ging um ein blau blühendes Kraut. Diesem Blühen sind sie alle hinterhergelaufen, ohne zu wissen, dass es ganze Felder davon gibt. In der Suche hatte es eine einzelne Pflanze zu sein.
Und während sie suchten, wurden die Felder bereits gerupft, gezogen und geschlagen, bis daraus etwas wurde, in das sich, nach vielem Hin und Her zwischen den Kettfäden, eine Nadel stechen ließ. Während im Hintergrund noch immer die Unwissenden über Waldlichtungen irrten, wurde ihr Traum bereits konkret: bei Vollmond gewebt, hieß es plötzlich, mache dieses Material Zauberkräfte. Wahrscheinlich erst gen Morgen, denn die Müdigkeit war immer groß. Jetzt ist sie es auch, aber aus anderen Gründen.
Wir sind im Landeanflug. Unser Hin und Her macht andere Muster. Doch im Verharren sehen wir noch immer am liebsten Grün. Und Blau. Und spüren dabei etwas auf dem Gesicht.
Schade, dass zurückgelegte Wege keine Punkte machen, gemächliche Erinnerungen, wie das Puckern eines Dieselmotors auf dem Fluss. Mit einem Boot ist das Weiter immer ein Geradeaus. An den Seiten ziehen die Ufer, für jedes Auge eine Hälfte, und hinten fließt alles wieder zusammen.
Der Blick nach vorn sieht verwegen aus.
Beim Blick zurück scheitelt der Wind die Haare am Hinterkopf.
Nach vorn geht es durch Vieles, das wir erwartet haben und uns nicht vorstellen konnten. In der Erinnerung wird der Pfad zur Straße, gepflastert oder asphaltiert. Das zumindest haben wir gelernt von all den Perspektiven: oben vor dem Himmel sind Dachschrägen, Schätt und Walm und Traufhöhe, unten werden die Stiefel schon zum Schritt. Absatz kehrt, was zählt ist die Bewegung.
Im Kopf das Fliegen, in der Hand das Schiffchen, sitzt die Frau am Fenster, denn das Licht ist wichtig.
Ein Ort ganz am Rand, die Seite wird umgeschlagen, der Kopf liegt, der Gedanke ist zum Bild geworden. Es haucht der Morgen der Stadt eine Röte um die Schornsteine. Die Scheiben sind beschlagen von schlafwarmer Unvernunft.
Wir haben den Ausschnitt erfunden, um das Ganze auszuhalten.

Ulrike Schröder, April 2005