Brühler Kunstverein
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Anne Kolvenbach - Raumzeichen

Ausstellung vom 10. bis 30. Juni 2001, Orangerie

Wir erleben eine Rauminstallation in der kürzlich restaurierten Orangerie von Schloss Augustusburg. Die Künstlerin zeigt auf langen hängenden Papierbahnen transparente grossflächige Aquarellmalerei, darübergelagert lineare Pinselzeichnung, überwiegend in Tusche.

Rauminstallation Orangerie

Rauminstallation von A. Kolvenbach
Orangerie Schloss Augustusburg © Foto: G.Wagner

Filigrane Plastiken aus industriellen Abfallmaterialien bis drei Meter Höhe, die die Künstlerin Figurinen nennt, treten in einen Dialog mit der Malerei und dem Raum. Rhythmisierung und Bewegtheit werden besonders deutlich im wechselnden Spiel des Lichtes. Elemente des Barock werden mit modernen Mitteln aufgenommen und in Anmut und Leichtigkeit gespiegelt.

Anne Kolvenbach

© A. Kolvenbach

In enger thematischer Anlehnung an die Malerei dieser Rauminstallation schuf die Künstlerin eine Serie von 10 quadratischen Aquarellen mit Pinselzeichnung, die einzeln erworben werden können. (Alle verkauft!)

Anne Kolvenbach

© A. Kolvenbach

Anne Kolvenbach - Raumzeichen

Als Dr. Hörstrup und ich uns vor einigen Monaten die Bewerbung von Anne Kolvenbach anschauten, fiel uns besonders ihre Rauminstallation von 1998 im Werkzeugmuseum Remscheid ins Auge. In beeindruckender Weise hatte sie es dort geschafft, mit ihren Arbeiten auf den spezifischen Charakter der Ausstellungshalle einzugehen. Als sich nun in diesem Jahr für den Brühler Kunstverein dank der Zusage von Herrn Hebler wieder die Möglichkeit bot, die Orangerie des Schlosses Augustusburg für eine Ausstellung zu nutzen, kam uns diese Rauminstallation erneut in den Sinn. Deshalb unterbreiteten wir Frau Kolvenbach den Vorschlag, für die Orangerie ebenfalls eine Arbeit zu konzipieren. Begeistert von der Raumwirkung dieses ehemaligen Gewächshauses sagte sie zu und ließ sich für ihren Entwurf von den wesentlichen architektonischen Merkmalen der Orangerie inspirieren, auf die ich nun kurz eingehen möchte:

Der langgestreckte Raum wird durch den regelmäßigen Wechsel von vorspringenden Wandflächen und zurückspringenden Glasflächen bestimmt. Dabei fungiert die Längsachse des Raumes als Symmetrie- und Spiegelachse. Die zweiflügeligen Fenster und Türen werden durch Sprossen kleinteilig untergliedert und nehmen fast die gesamte Höhe des Raumes ein. Ihre bogenförmigen oberen Abschlüsse korrespondieren mit den Rundungen des Kreuzgratgewölbes. Der Raum wird somit charakterisiert durch den rhythmischen Wechsel von vor- und zurückspringenden architektonischen Elementen, von geschlossenen und durchsichtigen Flächen, rechteckigen und gebogenen Formen sowie durch den Wechsel grauer und weißer Farbtöne.

Diese grundlegenden Gestaltungselemente hat Anne Kolvenbach aufgegriffen und in ihre langen bemalten Papierbahnen und plastischen Objekte einfließen lassen.
Eigenwilligerweise entschloß sich die Künstlerin, nicht die zur Aufhängung von Kunstwerken vorgesehenen Wände zu benutzen, sondern die langgestreckten Heizkörper, von denen sich jeweils zwei in den Fenster- und Türnischen befinden. Ihre Idee war es, diese neuzeitlichen technischen Geräte vollständig zu überdecken. Da aber die Heizkörper durch die Anbringung von Kunstwerken keinen Schaden nehmen durften, war es nötig ein Material zu finden, das bei der Länge von über drei Metern nicht zu schwer würde. Anne Kolvenbach entschied sich deshalb für Papier, das mit Klammern und Magneten an den Heizkörpern befestigt werden konnte.
Lange hat sie gesucht, bis sie das geeignete Papier für ihre Arbeiten fand. Die langen Bahnen von Rollen-Aquarellpapier schienen ihr letztendlich geeignet. Gemäß der Heizkörper-Maße wurden sie von der Künstlerin zurechtgeschnitten und dann auf ihrem Atelierboden ausgelegt. Die symmetrisch angelegte Architektur der Orangerie veranlaßte sie, immer zwei Bahnen fast spiegelsymmetrisch zu gestalten.

Spontan und ohne vorherigen Entwurf beginnt sie mit der Bemalung, dafür aber mit einem hohen Maß an Konzentration, da durch die Benutzung von Aquarellfarben und Tusche kaum korrigiert werden kann. Mit großen breiten Pinseln werden die Farben in flächenbeherrschenden rechteckigen Formen aufgetragen. Entsprechend den Grauabstufungen des Orangerie-Fußbodens wählt die Künstlerin Grautöne von unterschiedlicher Ausprägung. Zur Belebung der Farbpalette kommen zudem noch bläuliche Töne hinzu. Dabei trägt sie zuerst kühlere und helle Farben auf. Danach folgen dunklere und wärmere Töne, so daß ein leichter Kalt-Warm-Kontrast entsteht und sich die einzelnen Schichtungen subtil und transparent überlagern. Mit den Rechteckformen gliedert Anne Kolvenbach die Flächen spannungsvoll in horizontaler und vertikaler Richtung, analog zum Rhythmus der vor- und zurückspringenden Flächen der Orangerie.
Über die dergestalt aufgeteilte Fläche zeichnet sie dann treppenartige Linien mit einem jeweils eigenen Rhythmus, bis zum Schluß lineare Bogenschwünge - gleich choreographischen Notationen tänzerischer Bewegungen - die gesamte Gestaltung überspannen und zusammenfügen. Form und Ausprägung dieser Schwünge sind von der jeweiligen Stimmung der Künstlerin abhängig: So können sie mal kraftvoll und von ausholendem Schwung und ein anderes Mal feiner und filigraner ausfallen.
Die Bemalung der Papierbahnen, die - schreitet man den Raum ab - zuerst freier und aufgelockerter ist und von Bahn zu Bahn immer verdichteter wird, erinnert in ihrer konzentrierten und reduzierten Art an kalligraphische Arbeiten. Gepaart mit der Transparenz und Leichtigkeit der Aquarell- und Tuschefarben fügt sie sich harmonisch in die Architektur des Raumes und korrespondiert mit der lichterfüllten und symmetrischen Gestaltung der Orangerie. Zugleich bilden die nie ganz geraden Flächen und freien Linienschwünge einen reizvollen Kontrast zu den akkuraten Formen der Architektur.

Als zweites Element der Rauminstallation hat Anne Kolvenbach plastische Objekte - sieben filigrane Figurinen von netzartiger, durchlässiger Struktur - in dem langgestreckten Raum der Orangerie positioniert. Sie unterbrechen den schweifenden Blick des Betrachters, treten sie doch mit ihrer Plastizität eigenständig in den Raum - im Gegensatz zu den Papierbahnen, die, an die Wände angelehnt, das flächige Moment betonen. Zugleich ergänzen sie in ihrem linearen und transparenten Charakter die Malerei der Papierbahnen.
Betrachtet man nun das Material dieser Objekte genauer, bemerkt man einen gewissen Bruch mit dem barocken Ambiente der Orangerie - handelt es sich doch um Industrieabfälle aus PVC, die Anne Kolvenbach zufällig 1998 in einer Fabrik entdeckt hatte. Die strickleiterartigen Reste ehemaliger PVC-Platten, aus denen kleine Flächen ausgestanzt worden waren, faszinierten die Künstlerin durch ihre Struktur und Materialität, so daß sie sie gesammelt hat.
Für ihre Rauminstallation im Werkzeugmuseum Remscheid hatte die Künstlerin aus solchen PVC-Resten von der Decke herabhängende technoide Plastiken geschaffen. Für die Orangerie entschied sie sich nun, aus diesem Material Standfiguren zu gestalten. Zuerst wurden dafür einzelne leiterartige Stücke mit kleinen Gummischläuchen untereinander verknüpft, um so aus diesen objets trouvés plastische Assemblagen von geometrischer Gestalt herzustellen: Kugel-, zylinder- und kegelartige Formen treten sowohl einzeln als auch in Kombination miteinander auf. Da das Material sehr weich ist, war es nötig, die Plastiken mittels Stellagen aus rostigem Eisen zu stabilisieren.
Somit hat Anne Kolvenbach frühere künstlerische Arbeiten ideenmäßig wieder aufgegriffen und sie verändert und erweitert in ihre heutige Installation integriert. Die im Werkzeugmuseum Remscheid so technoid wirkenden Gebilde wurden so zu Figurinen transformiert, die sich in ihrer gitterartigen Struktur gleichsam zwischen Reusen und Reifröcken bewegen und in ihrer fast schwebenden Leichtigkeit - Raum eingrenzend und zugleich Raum durchlassend - die Orangerie beleben.

Anne Kolvenbach hat die hier gezeigten Arbeiten konsequent aus ihrer bisherigen Werkentwicklung heraus konzipiert und sie als "Raumzeichen" stimmig für die Brühler Orangerie entwickelt. Die sparsame, zurückhaltende und subtile Inszenierung, die weit entfernt ist von barocker, überschäumender Fülle, läßt den schnörkellosen und klar strukturierten Charakter der Orangerie gelten und greift doch zugleich feinfühlig in die elegante und schlichte Raumwirkung ein.

Um diese Wirkung noch intensiver zu erleben, lade ich Sie ein, sich diese Installation noch einmal anzuschauen, wenn der Raum leer und sonnendurchflutet ist. Denn erst im ruhigen Durchschreiten erschließt sich die subtil abgestufte Gestaltung der Papierbahnen, der rhythmische Wechsel der - je nach Blickwinkel - grauen und blauen Farbtöne und das Zusammenspiel der Malerei mit den im Raum installierten Figurinen. Das sensibel aufeinander abgestimmte Zusammenwirken von Kunstwerken und Architektur erhält einen besonderen Reiz, wenn die Sonne durch die Glasflächen scheint, und die gitterförmigen Schatten auf dem Fußboden und an den Wänden mit den netzartigen Strukturen der Arbeiten korrespondieren und sich alle Formen zu einem harmonischen Gesamteindruck zusammenschließen.

Liane Heinz M.A., 10. Juni 2001