Brühler Kunstverein
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Daniela Risch / Steffi Lindner - STICKING TO THE UNCERTAIN

Ausstellung vom 11. März bis 2. April 2022

Steffi Lindner und Daniela Risch beschäftigen sich in ihrer Ausstellung STICKING TO THE UNCERTAIN mit den Phänomenen des Vagen und Unklaren und suchen deren besonderen Reiz und Potenzial mit fotografischen Praktiken zu erkunden. Dabei widmen sie sich gezielt Fragestellungen zu Material und Abläufen des fotografischen Prozesses und setzen bewusst gängige Techniken und Materialien gegen ihre beabsichtigte Verwendung ein. So entstehen im Ergebnis vorwiegend kameraloser Verfahren verschiedenartige Aufzeichnungen von Lichteinfall, -brechung und -wanderung in Form von Fotogrammen, Polaroids und Zeichnungen. Mit den daraus entstehenden Unikaten hintergehen Lindner und Risch gezielt die Idee der Inbesitznahme von Welt durch fotografische Abbilder.

Daniela Risch / Steffi Lindner

Weitere Informationen zu den Künstlerinnen finden Sie im Internet unter www.steffilindner.de sowie unter d-risch.de


Steffi Lindner und Daniela Risch – Sticking to the Uncertain

Einführung von Friederike Voßkamp

"Sticking to the uncertain" – unter diesem Titel steht die gemeinsame Ausstellung von Steffi Lindner und Daniela Risch im Brühler Kunstverein. Sticking to the uncertain – das mag im Deutschen so viel bedeuten wie "dem Ungewissen verhaftet bleiben", "am Ungewissen festhalten" oder "im Ungewissen bleiben". Das Ungewisse, das Unklare, das Vage ist es, dem die beiden Künstlerinnen in ihren hier präsentierten Arbeiten nachspüren. Die Werke zeigen diffus angedeutete geometrische Formen, schemenhafte Flecke oder ausfasernde Strukturen, helle oder dunkle Punkte oder großflächige Farbverläufe, zum Teil in schwarz-weiß, zum Teil in mal blasser, mal kräftigerer Farbe.

"Die Welt ist uneindeutig", so lautet ein Statement der beiden Künstlerinnen. Und so erscheinen auch ihre Werke: uneindeutig. Uneindeutig nicht nur im Hinblick auf das, was dargestellt ist, sondern auch im Hinblick auf den Entstehungsprozess, der unklar bleibt, verschleiert wird und sich nicht von selbst erschließt. Ist es Fotografie? Ist es Zeichnung? Woher rühren die Formen, die Schemen, die Schatten? Wie kommen sie zustande?

Daniela Risch und Steffi Lindner kennen sich seit dem Studium an der Kunsthochschule für Medien (KHM) in Köln, wo Steffi Lindner von 2009 bis 2013 ihr postgraduales Studium absolvierte und Daniela Risch 2010 ihr Diplom abschloss. Seither waren sie mehrfach zusammen in Ausstellungen vertreten; die jetzige Präsentation im Brühler Kunstverein ist jedoch das erste gemeinsam entwickelte Ausstellungsprojekt, das in den letzten Tagen hier vor Ort in Anlehnung an die hiesigen Gegebenheiten und den Raum entstanden ist. So wurde die tatsächliche Werkauswahl erst hier getroffen und die Hängung vor Ort entwickelt, erprobt und abermals verändert. Die Präsentation ist mitunter unkonventionell angeordnet. Die Werke reihen sich nicht immer klassisch-museal aneinander, die (imaginäre) Linie wird vielmehr aufgelockert. Kleine ungerahmte Formate wie auf den ersten Blick unscheinbar, alltäglich wirkende Polaroids wechseln sich mit größeren, freihängenden Abzügen, gerahmten Zeichnungen und Foto-Objekten ab. Dabei hängen die Arbeiten der beiden locker durchmischt nebeneinander, was trotz aller künstlerischer Unterschiede einen harmonischen Eindruck erzeugt. Sie widmen sich schließlich demselben Thema, verfolgen dasselbe Interesse.

Ausgestellt sind – wie die Künstlerinnen es selber nennen – "fotografische Arbeiten im erweiterten Sinne". Fotografisch in der eigentlichen Bedeutung des Wortes, das man übersetzt aus dem Griechischen vielleicht mit "Lichtzeichnung" umschreiben könnte. Die Präsentation zeigt dabei nur einen Ausschnitt aus ihrer beider Schaffen, das über Grafik und Fotografie hinausgeht und auch Videoarbeiten und Installationen umfasst. Ihr künstlerisches Medium, sozusagen ihr Malmittel in den hier gezeigten Arbeiten ist also das Licht, ein immaterieller Stoff, dem beide in ihren Werken eine Substanz geben, den beide sichtbar zu machen versuchen. Es geht also nicht um die Abbildung konkreter Dinge oder Personen, wie es die Fotografie im üblichen, uns allgemein vertrauten Sinne leistet, sondern um ein abstraktes Einfangen und Sichtbarmachen von Licht.

Bei Daniela Risch ist es das künstliche Licht, zum Beispiel eine Taschenlampe, mit der sie in ihren Polaroids Lichtflecke auf das Fotopapier bannt oder in der Dunkelkammer Belichtungseffekte erzeugt. Bei Steffi Lindner ist es das natürliche Licht von Sonne oder Mond, unsere Umgebungsbedingungen, die sie in ihren Arbeiten festzuhalten sucht. Sie schließt damit an die Wolken- und Naturstudien des 18. und frühen 19. Jahrhunderts an, als Himmelsphänomene zu einem bildwürdigen Thema wurden, jedoch auf eine andere, ganz eigene Weise. So fängt sie in ihrer seit 2021 entstehenden Serie RE-TOUCHER das wandernde Sonnenlicht über mehrere Tage hinweg in einer Zeichnung ein. Mit einem Blatt Papier markiert sie eine Stelle auf dem Boden, auf die Sonnenlicht fällt, und malt den einfallenden Lichtfleck mit einem blauen Filzstift nach, macht das Licht damit zeichnerisch sichtbar. Durch die tägliche Wiederholung dieses Prozesses an selber Stelle und zur selben Uhrzeit wird die Wanderbewegung der Sonne deutlich.

Die mit dem Filzstift nachgezeichnete Fläche wird danach jeweils dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt, wodurch die blaue, jedoch nicht lichtbeständige Farbe allmählich ins Rötlich-Pinke und Rosafarbene verblasst, bevor sie irgendwann vollkommen verschwindet. Das Licht schreibt sich damit mittelbar und unmittelbar in den Entstehungsprozess der Werke ein. Dasselbe vollzieht sie in schwarz-weiß mit dem Graphitstift, der aufgrund seiner Entstehungsgeschichte bzw. seiner chemischen Zusammensetzung Sonnenlicht bereits selber enthält. Eigentlich handelt es sich also um eine Zeichnung, der Einsatz des Lichts macht es jedoch zu einer fotografischen Arbeit. Wie Daniela Risch nutzt Steffi Lindner aber auch Materialien, die in der klassischen Fotografie verwendet werden. So verfolgt sie in ihrer 2016 geschaffenen Reihe "Suntimes" den Verlauf der Sonne über zwei Stunden mit einer Lochkamera, bildet ihn also nicht als Zeichnung, sondern auf Fotopapier ab. Dadurch entsteht ein diffuser Strich, der, sofern der Himmel bewölkt war, teilweise auch unterbrochen sein kann.

Die Kehrseite des Lichts, das – um in der Fotografie zu bleiben – Negativ der Sonne, der Schatten ist wiederum Gegenstand ihrer Serie "All Shadows Whisper Of The Sun" von 2018, aus der wir eine Arbeit als stark vergrößerte Reproduktion frei an der Wand hängend sehen. Die Wanderung des Schattens stellt sich hier als blass lilafarbene bis rosa-gelbliche Farbverläufe dar. Der von uns im Allgemeinen eigentlich dunkel wahrgenommene Schatten erhält somit Substanz, eine Farbigkeit. Ein ähnlicher Negativeffekt wird nicht zuletzt in ihrer Arbeit "Re: Present (I)" erreicht, in der durch den Einfall des Mondlichts auf dem Fotopapier das Abbild der Sonne erzeugt wird.

Dass bei beiden Künstlerinnen die klassischen Materialien der Fotografie Verwendung finden, jedoch meist nicht wie eigentlich vorgesehen in ihrer üblichen Funktion und Bestimmung, macht der Titel der seit 2020 entstehenden Reihe von Daniela Risch deutlich, aus der der Großteil ihrer hier gezeigten Werke stammt: "Unproper Handlings", unsachgemäße Verwendungen. Das fotografische Bild entsteht nicht in der Kamera, im Fotoapparat, sondern in der Dunkelkammer, im Labor. So belichtet Daniela Risch mit einer mobilen Lichtquelle, etwa einer Taschenlampe, Polaroids – ein heutzutage nahezu nostalgisches Medium, das sich trotz zunehmender Digitalisierung erneut großer Beliebtheit erfreut. Durch Schablonen kanalisiert sie den Lichteinfall, schafft geometrische Formen oder erzeugt Farbeffekte durch den Einsatz von Farbfiltern oder farbigen Glasplatten, wie sie etwa in Vergrößerungsgeräten bei der Herstellung von Fotoabzügen zum Einsatz kommen. In ihren Chemogrammen entstehen durch das nur teilweise vollzogene Eintauchen des zugrundeliegenden Fotopapiers in Entwicklerflüssigkeit, die mitunter verläuft, eigene diffuse, manchmal nahezu malerische Effekte. Eine andere hier präsentierte Arbeit macht die Entwicklerflüssigkeit selbst sichtbar, indem das Papier in wellenartiger Bewegung im Entwicklerbad belichtet wurde, wodurch sich vage marmorierende, batikähnliche Strukturen abzeichnen.

In einer weiteren Serie schreibt sich der Schatten in das Medium ein und wird selbst Teil der Fotografie. Es handelt sich um Werke auf Fotopapier (PE oder Barytpapier), das sie faltet oder einschneidet und das Ausgeschnittene wegknickt, wodurch der eigentlich zweidimensionale Bildträger zunächst selbst zum Objekt wird und eine eigene Körperhaftigkeit gewinnt. Die geknickten oder durch das Ausschneiden abstehenden Flächen und Elemente werden belichtet, so dass sich der jeweils entstehende Schatten oder Lichteinfall selbst im Fotogramm niederschlägt und darin eingeschrieben wird. Zahlreiche ihrer Arbeiten sind dabei Zufallsprodukte, entstanden beim Experimentieren im Fotolabor, oder auch Zufallsfunde, die als Versuchspapiere oder Belichtungsschablonen von anderen im Labor genutzt und dann achtlos zur Seite gelegt wurden.

Diese jeweiligen Lichtbilder, die Steffi Lindner und Daniela Risch mit ihren jeweils eigenen Techniken erzeugen, sind situationsabhängig und singulär und konterkarieren damit die mit der konventionellen Fotografie verbundene Möglichkeit der unendlichen Reproduzierbarkeit. Sie sind Unikate, die zumeist auch ortsgebunden entstehen. Das Einbeziehen des Ortes spielt schließlich auch in einer gemeinschaftlich konzipierten Arbeit eine tragende Rolle, die eigens für die Ausstellung im Brühler Kunstverein entwickelt wurde und die Präsentation über ihre Dauer hinweg begleiten wird. Es handelt sich um ein großflächiges an die Wand geheftetes unbelichtetes Fotopapier, das sich unter der Einwirkung von Licht im Laufe der Ausstellung verändern und im wahrsten Sinne des Wortes entwickeln wird. Die durch rechteckige Rahmen mit anderen Papieren zunächst abgedeckten Flächen, die ihren Abdruck auf dem Fotopapier hinterlassen haben, werden im Zuge ihrer Belichtung verschwinden, und dies bereits während der heutigen Eröffnung. Insofern möchte ich keine weiteren Worte verlieren, sondern vielmehr den Blick freigeben auf das Ungewisse und Vage, bevor es sich selbst im Licht verliert.

Friederike Voßkamp, März 2022
 

Pressespiegel

Aus Kölner Stadt-Anzeiger 15.3.22 und Brühler Schlossbote 13.3.22. Zum Lesen bitte anklicken!

Pressespiegel BKV Ausstellung Risch-Lindner - Zum Lesen bitte anklicken!

Bilder von der Eröffnung


BKV Ausstellung Risch-Lindner
Die beiden Künstlerinnen Daniela Risch und Steffi Lindner, Gaby Zimmermann und Karola Meck-Theben (BKV) und Friederike Voßkamp (v.l.)

BKV Ausstellung Risch-Lindner
Die Eröffnung der Ausstellung fand draußen statt mit den beiden Vorsitzenden Gaby Zimmermann (r) und Karola Meck-Theben.

BKV Ausstellung Risch-Lindner
Friederike Voßkamp vom Max Ernst Museum führte erkenntnisreich in die Ausstellung ein.

BKV Ausstellung Risch-Lindner
...genau wie das zahlreich vertretene Publikum.

BKV Ausstellung Risch-Lindner
Im Ausstellungsraum fanden unter den Besuchern rege Gespräche statt.

Fotos: G.M.Wagner

Blick in die Ausstellung

BKV Ausstellung Risch-Lindner

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Fotos: D.Risch