Brühler Kunstverein
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aspekte - Von der Kunstfotografie der Jahrhundertwende
zur Subjektiven Fotografie der fünfziger Jahre

Beispiele zu 50 Jahren Fotografiegeschichte
aus der Sammlung Walter G. Müller


9. bis 29. September 2001, Rathausgalerie

Anhand ausgesuchter Beispiele aus der Fotosammlung von Walter G. Müller stellt der Brühler Kunstverein in einer konzentrierten Ausstellung eine spannende Periode deutscher Fotografie zwischen dem Beginn und der Mitte des 20. Jahrhunderts vor.

Claasen
Herrmann Claasen
Köln, Ritterstraße, 1943/44

Den Auftakt bildet der ausklingende "Piktorialismus" um 1900 mit seiner Vorliebe für atmosphärische Bildwirkungen in Anlehnung an die impressionistische und symbolistische Malerei. Abgelöst wird er durch Vertreter der "Neuen Sachlichkeit", die in den dreißiger Jahren einen objektiven Blick auf die Errungenschaften der modernen, technischen Welt bevorzugten. Dieser Epoche folgen fotografische Zeugnisse über die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges. Die Ausstellung wird abgerundet durch die "Subjektive Fotografie" der fünfziger Jahren mit einer imaginären und subjektiven Weltsicht.

Ehrhardt
Alfred Ehrhardt
Dünenlandschaft (Kurische Nehrung), 1936

Namhafte Fotografen wie Hugo Erfurth, Erna Lendvai-Dircksen, August Sander, Werner Mantz, Hugo Schmölz, Hermann Claasen und Albert Renger-Patzsch sind beispielhaft und fast ausschließlich mit Originalarbeiten aus der Zeit vertreten. Der auf hundert Exemplare limitierte Katalog mit einem Text von Klaus Honnef zeigt Abbildungen von zehn der insgesamt fünfzig Ausstellungsfotos. Darüber hinaus enthält eine Vorzugsausgabe, die als Jahresgabe angeboten wird, eine Originalfotografie aus dem Nachlass Hermann Claasens.

Preis des Katalogs: 27,- DM


Ein Flug durch die Geschichte der Fotografie

von Klaus Honnef

Im Spannungsverhältnis von Kunst und Kommerz hat die Fotografie ihre eigene Ästhetik ausgebildet. Gegen die überhand nehmende Kommerzialisierung der professionellen Fotografie machte schon die piktorialistische Bewegung der Amateure und fotografischen Liebhaber am Endes des 19. Jahrhunderts Front.

Mit offensichtlicher Vorliebe für atmosphärische Wirkung in Anlehnung an die impressionistische und die symbolistische Malerei und einer bewusst unscharfen Linseneinstellung strebten die Fotografinnen und Fotografen des Piktorialismus betont künstlerische Bildlösungen an und scheuten auch manuelle Eingriffe während des Laborprozesses nicht. Der einzelne Abzug wurde als Unikat behandelt.
Auf die primär technischen Möglichkeiten des technischen Mediums besannen sich dagegen die Vertreter und Vertreterinnen der Fotografie eines "Neuen Sehens" mit der Variante der "Neuen Sachlichkeit" nach dem Ersten Weltkrieg. Manipulationen am Negativ waren strikt verpönt, daher der amerikanische Begriff "Straight Photography".

Vor allem die moderne Seite der sichtbaren Welt erregte ihre Aufmerksamkeit, die funktionale Architektur und der motorisierte Verkehr, überhaupt das Reich der Maschine, und die Maschine galt vielen als neuer Gott. Entweder standen die Dinge, meist einfache Gebrauchsgegenstände oder alltägliche Gegebenheiten, im Zentrum der fotografischen Aufnahmen, wobei die Form ihrer Darstellung aufs Notwendigste beschränkt wurde, oder das Sehen selbst, und die Bilder wurden als Konstruktionen des Sichtbaren begriffen.

Diese Auffassung äußerte sich in extremen Blickwinkeln, Vogel- und Froschperspektiven, und in diagonalen Aufrissen sowie porenscharfen Nahaufnahmen. Außerdem in Montagen, systematischen Reihen und fotografischen Experimenten. Deutlich war die Nähe der Fotografie des "Neuen Sehens" zur Kunst der Avantgarde, namentlich den Tendenzen des Konstruktivismus, und zunächst ebenso antikommerziell eingestellt wie diese. Gleichwohl feierte sie in der Werbung ihre größten Triumphe, die in den spektakulären Perspektiven und den schnörkellosen Bildern hervorragende Voraussetzungen zur wirksamen Produktreklame erblickte.

Nach der Niederlage des nationalsozialistischen Deutschland verbanden sich die persönlichkeitsbetonten Elemente des Piktorialismus und die postulierte Objektivität des fotografischen Funktionalismus in Europa zur "Subjektiven Fotografie".
Auch die Fotografen und Fotografinnen der "Subjektiven Fotografie" suchten Anschluss an die Bildsprache der avancierten Kunst, etwa den auslaufenden Surrealismus und die abstrakten Strömungen des Informel. Sie hielten aber insofern an wichtigen Kriterien der Fotografie des "Neuen Sehens" fest, als sie in der Aufnahmetechnik den dokumentarischen Stil bevorzugten, den sie allerdings häufig atmosphärisch mit harten Kontrasten und tiefen Schatten, wie unter Einfluss existentialistischer Lebensmodelle, aufluden.

Der Verführung der Kommerzialität verweigerte sich die "Subjektive Fotografie" weitgehend, obwohl sich unter ihnen zahlreiche professionelle Fotografen befanden, die jedoch die beiden Sphären in ihrer Arbeit deutlich voneinander trennten. In der formalen Unentschiedenheit mancher Fotografen entdeckten Kritiker eine Flucht vor den Herausforderungen einer Realität, die alles Vorstellungsvermögen überstieg. Danach verloren sich die markanten Prägungen in der Fotografie allmählich, analog ging die Entwicklung in der Kunst voran, und die Unterschiede zwischen künstlerisch anspruchsvoller Fotografie und Kunst verschwammen zusehends.
Bonn, 15. März 2001

Textbeitrag im Katalog zur Ausstellung / Copyright bei Klaus Honnef