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Marlies Blauth – UnterwegsAusstellung vom 7. bis 23. September 2012im Rahmen des Projektes Kunstachse NRW in Kooperation mit dem Hagenring e.V. Ikonen des Alltags"Ich fotografiere unterwegs Menschen, Menschen unterwegs.Die bewusst verschwommenen Fotos – ich will niemandem zu nahe treten – bearbeite ich manuell (nicht: digital, auch wenn es digitale Fotos sind); ich übermale sie, zeichne hinein, schmirgele mit Sandpapier, schneide aus, füge zusammen, und heraus kommt eine Synthese verschiedener künstlerisch-technischer Prozesse. Dieses Ergebnis wird ganz klassisch auf einen Träger (meist Leinwand) collagiert und ein letztes Mal bearbeitet (übermalt, eingekratzt, überschmirgelt). Individuelle Merkmale sind nicht mehr wichtig (auch nicht der Vergleich mit dem ursprünglichen Foto – das verschwindet immer sofort in der Schublade), vielmehr arbeite ich Menschentypen heraus. Dabei geht es mir um die besondere meditative Wirkung, die sich aus deren Warten und Nachdenken ergibt. In einer zweiten Werkreihe arbeite ich mit Begriffen, die auf das Unterwegssein im menschlichen Leben hinweisen. Es sind durchweg Fragmente aus alltäglichen Druckerzeugnissen – aus dem Pastillenpäckchen in der Tasche wird die „stille“, aus der Spätzleverpackung wird „Spät“, aus dem Schlagsahnebecher der „Schlag“ extrahiert – dann collagiert und mit Malerei und weiteren Techniken kombiniert." Text: Marlies Blauth Weitere Infos: Marlies Blauth Einführung zur Ausstellung von Ekkehard DrefkeMeine Damen und Herren,Sie sehen hier im Raum drei Werk-Blöcke - die beiden Ensembles "Unterwegs.Collagen" in Form der Porträtköpfe mit jeweils 20 und 10 Bildern und die Stundenbuch- / Tagebuch-Installation der Künstlerin Marlies Blauth, bewusst zurückgenommen in der Raum-Verteilung, deren Sinngebung damit schon mitbegründet wird. Wenn man die Vorliebe der Künstlerin für Farbe kennt, ist diese Ausstellung hier von geradezu asketischer Disziplin und hat doch kaum etwas mit Arte Povera oder Minimal Art zu tun. Marlies Blauth wohnt und arbeitet in Meerbusch-Neuß (bei Düsseldorf) und hat im Raum Dortmund ihre Jugendjahre verbracht, in Wuppertal an der Universität Kunst, Biologie und Kommunikations-Design studiert und dort ihr Staatsexamen und ihr Diplom erworben. Ihre künstlerischen Lehrmeister waren neben Bazon Brock Anna Oppermann mit ihren bekannten überbordenden tagebuchartigen Foto-Installationen und der abstrakte Maler Wil Sensen. Sie war von 1989-1993 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Wuppertal und hatte dort einen Lehrauftrag für Grafik und Grundlagen der Gestaltung. Frau Blauth ist auch aktiv als Vermittlerin von Kunst z.B. seit 2003 in der ev. Kirche in Meerbusch-Osterath mit dem Projekt "Kunst in der Apsis", selbst mit ihrer Kunst in verschiedenen Kirchen vertreten, ferner in öffentlichen und privaten Sammlungen. Ihre Lyrik seit 2006 ist schon mehrfach preisgekrönt und publiziert worden, also eine sehr vielseitige und engagierte Künstlerin. All diese Aspekte Ihrer Biografie sind aufschlussreich zum Verständnis ihrer Arbeiten, die Sie heute sehen. Die beiden Porträtgruppen als Collagen mit dem Titel "Unterwegs" sind auf der Grundlage von Fotoschnappschüssen auf ihren vielen alltäglichen Wegen in der Bahn, auf Haltestellen, in Warteräumen und Kaufhäusern entstanden, eben wie sie selbst im Äußeren und Inneren immer auf Reisen, unterwegs ist. Ihre Menschenaufnahmen werden schon vor Ort daraufhin selektiert, wie sie geeignet sind für ihre eigene Methode der "Entindividualisierung". Im Atelier verfolgt sie einen Gestaltungsprozess, der zu immer stärkerer Verallgemeinerung / Typisierung führt, z.B. durch Weglassen von Hintergründen. Nach mehrfachen Kopier- und Vergrößerungsarbeiten entsteht dann mit Übermalungen eine Reduktion auf Schwarz, Weiß und Grau. Das Herausdestillierte wird auf Leinwand geklebt und durch Hineinzeichnen, Übermalen, Abschmirgeln, Schaben, Kratzen verwandelt, eben in Form ihrer ganz eigenen Collage-Technik. Zum Verständnis, welche Wertigkeit diese Porträtcollagen im aktuellen Werk der letzten zwei Jahre von Frau Blauth haben, so wie sie jedermann in ihrem Internet-Auftritt vollständig zugänglich sind, sollte man zunächst die Bandbreite ihrer Arbeit, die sich übrigens weit über 20 Jahre hin entwickelte, kennen. Diese Menschenbilder hier sind zwar die in der letzten Zeit wichtigsten Arbeiten. Allerdings hat sie weit mehr als diese Porträts in zwei Jahren geschaffen. Gleichzeitig entstanden da parallel - neben viel Experimentellem (z.B. zum Thema Schattenwesen oder Gesteinsbilder)
Die Porträts sind alle so differenziert, dass wir zeitgenössisches Personal in ihnen wahrnehmen können und dabei eine umfassende Fülle von Situationen miterleben, die sich in Körper-/ Kopfhaltung und Mimik ausdrücken: in sich gekehrte Nachdenklichkeit, aufmerksame Ausrichtung auf ein Ziel, Gesprächsverhalten, In-Sich-Versunkensein, Verträumtheit, entspanntes Wahrnehmen. Kein lauter Ton ist dabei und die Beschreibung von Gespräch und Aufmerksamkeit müsste eigentlich differenzierter charakterisiert werden als ein Lauschen oder Nach-Innen-Hören als Selbstgespräch. Die Vielfalt dieser ganz bewusst ausgewählten und in diesem Sinn bearbeiteten fotografischen Vorlagen zeigt sich auch in der Variabilität der Personentypen: männlich-weiblich, jung-alt, verschiedene Nationalitäten, ganz unterschiedlich gekleidet. Am Beeindruckendsten dabei ist die Fähigkeit der Künstlerin, bei jedem Porträt etwas ästhetisch Attraktives zu realisieren. Die Porträts haben alle eine innere, das Menschliche adelnde Schönheit, die nicht von der Art werbeüblicher Glätte und Stimmungsmache ist. Es ist eine geradezu zeit- und raumenthobene Schönheit mit einer gleichzeitig zeitaktuellen meditativen Wirkung, wie sie schon Jawlensky mit seinen stilistisch ganz anderen Meditationsbildern begründet hat. Die Kratz- und bildzerstörenden Bearbeitungsspuren sind wie Metaphern auf das gelebte Leben jedes Menschen mit all seinen Erfahrungen von Schmerz, seelischen Verletzungen und eingeschriebenen Hautfalten. Die weißen Flächen in allen Porträts, die wirken, als würden sie von innen leuchten, sind fast wie ein in unsere Zeit transponierter Heiligenschein. In dieser Bildsprache ist die Künstlerin unverwechselbar und von beeindruckender Wirkungsmacht auf unser Sensorium. Auch die Tafeln der Tagebuch- / Stundenbuch-Installation sind auf ganz originelle Art aus dem Alltag heraus entstanden. Wir denken beim Titel an die Stundenbücher der Brüder von Limburg, Fouqué und Tavernier, kostbar bebilderte Breviere für Adelige und Geistliche. Künstlerisch auch hier wieder bei Marlies Blauth völlig anders: Wer kommt schon auf die Idee, Verpackungen von Konsumartikeln auf ihre Etiketten hin auszuwerten, um z.B. aus dem Aufdruck "Pastille" das Wort "stille" herauszufiltern, daraus eine Bildtafel zu entwickeln und sie mit anderen derartigen Wortfragmenten zu einem höheren Sinnkonstrukt zu vereinen? So entwickelt sie diese Fragmente aus Verpackungsaufschriften ähnlich wie die Porträts weiter, klebt sie auf die kleinen Leinwände mit ganz sparsamen, manchmal farbigen Hintergründen und kombiniert sie dann mit anderen. Für einen oberflächlichen Betrachter können die Gestalt-Gebung in diesen gleichgroßen Bodentafeln genauso wie die vielen lakonischen Wortgebilde banal wirken: spät, fern, fein, weiter, time, erde. In Wirklichkeit ist nicht nur der Entstehungsvorgang jeder einzelnen Tafel mit den sparsam eingesetzten Untergrund-Strukturen, sondern auch die gesamte Komposition ein großes Feld von Bedeutungen, die zum Nachdenken oder zum wortspielerischen Zusammenhang-Herstellen anregen. Diese Abfolgen in der Senkrechten und Waagerechten, bei denen das Wort "Ich" irgendwo in der Mitte liegt, von dem alles gesteuert wird, enthalten Angebote für ganz persönliche individuelle Assoziationen, sind aber, für sich einzeln genommen, so zufällig gehalten, als wäre es Wortmüll aus dem Alltag. Zusammengefasst wird das Ganze wieder mit dem unscheinbaren Begriff "Mensch" auf einem kleinen Wandtäfelchen darüber. Diese Spannung zwischen Alltäglich-Banalem und durch die künstlerische Realisation entstandenem Herausgehobenen, meditatives Nachdenken anregend, das ist die eigentliche Leistung von Marlies Blauth. Sie unterscheidet sich auch hier wohltuend von allem Plakativen und Lauten durch fast erschlagende Schlichtheit und Stille. Aber welche Erfahrungswelten ermöglicht sie dem Spiel der Vorstellungen und Gedanken, denen hier nichts aufgezwungen oder eingehämmert wird! Noch spezifischer erfahrbar und sprachlich geformter ist dieser Werkteil in ihrer Lyrik, wie sie sie passend zu dieser Ausstellung im ausgelegten Katalog vorgestellt hat. Parallel zur Wirkungsrichtung ihrer künstlerischen Arbeiten ist ihre Lyrik aus Alltagserlebnissen gespeist und enthält meist sehr viel geistig Aufbauendes und kostbar Verdichtetes zu Jahreszeitenanlässen oder täglich Erlebtem. Dabei sind ihr das erheiternde Wortspiel und das Experimentelle wie in ihren künstlerischen Arbeiten nicht fremd, erlebbar z.B. in den köstlichen Textgebilden "Jochen-mein-Rochen" oder den Elfchengedichten. Im Resumée wird eine Persönlichkeit erfahrbar, die in allen Lebens- und Erlebenssituationen bildlich, sprachlich und gedanklich immer die Tiefendimension und damit auch immer wieder das konstruktiv Aufbauende, Erhebende bewirken möchte, Wahrheit und Echtheit in allem Alltäglichen verfolgt, Dimensionen, denen man heute so selten begegnet und noch seltener in dieser fast unauffälligen, unprätentiösen und bescheidenen Art. Wer allerdings immer wieder Effekte von Gigantomanie, Artistik und Marktgeschrei benötigt, wie sie einem in der heutigen Event- und Fun-Welt um die Ohren geschlagen werden, um aufzuhorchen oder überhaupt noch angesprochen zu werden, der geht an dieser Botschaft von Marlies Blauth wahrscheinlich unberührt vorbei. Obwohl schon so viele Lyrik-Texte von Marlies Blauth in ihrem Katalog enthalten sind, möchte ich doch zum Abschluss einen Text vortragen, der mich sehr beeindruckt hat, weil er wichtige Aspekte ihrer künstlerischen Arbeit, sprachlich in einen Traum geformt, verdichtet, wobei Schwarz und Weiß für ihre künstlerische Arbeit geradezu mythologisiert werden und das Weiß des Lichts die Oberhand behält. Ekkehard Drefke - Brühl, 7.9.2012 Traumvon Marlies Blauth, 6.2.2011Gestern wurde ich hingestellt Auf ein Rondell aus Papier Die Wächter glotzen Muss starr stehn denn Jede Atembewegung Schleift Spuren aufs Weiß schwärzliche Reste von Leben Wenn mir die Adern wie bleierne Trauben die Beine behängen stell ich mich anders - da knittert und schiebt sich der weiße Grund zerknistert und reißt Ich spür die letzten Kräfte In Fingern und Füßen Beuge mich (stehe gleichzeitig auf) Zeichne mit spitzgewachsenen Nägeln Wörter aufs Nichts unter mir beschreibe Formen reiße sie aus schmücke mein schütteres Kleid und laufe den Wächtern weißgewandet davon |
![]() Marlies Blauth: Menschen (2011/2012), Collage/Malerei auf Leinwand, je 40 cm x 30 cm ![]() Marlies Blauth: "Menschen" Präsentation in der Alten Schlosserei ![]() Marlies Blauth: "Tagebuch - Stundenbuch" Präsentation in der Alten Schlosserei Katalog![]() Zu den Ausstellungen erscheint ein Katalog. Preis 5 Euro, 3 Euro/Mitglieder Bilder von der Eröffnung![]() Die Künstlerin Marlies Blauth ![]() Marie-Therese Brämer, Stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Brühl ![]() Gaby Zimmermann, Vorstand BKV, begrüßt die Gäste, Ekkehard Drefke hält die Einführung ![]() Besucher der Vernissage diskutieren lebhaft vor den Exponaten Aufnahmen: G.M.Wagner |