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Alexandra Knie - Space PlantsAusstellung vom 9. August bis 31. August 2024Cosmic Roots, 2024, gestrickte Kordel, Tape auf Synthetikstoff, Bild: Alexandra Knie Alexandra Knies Arbeiten finden ihre Inspiration in naturwissenschaftlichen Illustrationen, Begriffen und Theorien der Biologie, Astronomie oder Astrobiologie. Sie konzipiert künstlerische Modelle mit sensorischen Qualitäten als raumgreifende Installationen wie auch als einzelne Objekte und Bilder, die den Zugang zu wissenschaftlichen Inhalten ebnen. Pflanzen im Weltall sind uns nur auf der Internationalen Raumstation bekannt, wo sie zu wissenschaftlichen Zwecken unter Mikrogravitation kultiviert werden. Aber wie könnten sie auf anderen Planeten aussehen? Im Brühler Kunstverein geht Alexandra Knie dieser Imagination in einer neuen Installation aus textilen und natürlichen Strukturen wie Ästen, Flechten und Algen nach. Auf diese Weise schafft sie ein spekulatives Ökosystem „kosmischer Pflanzen“, das symbiotische Beziehungen zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen, dem Wissenschaftlichen und Künstlerischen sowie dem Realen und Fiktiven erforscht. Auch in mittleren und kleinen Bildformaten übersetzt sie dieses Thema in Acryl- und Nadelmalerei (Maschinenstickerei), sowohl auf Leinwand als auch auf traditionellen valencianischen Stoffen. Weitere Informationen zu Alexandra Knie unter https://alexandraknie.de Statement der Künstlerin A. Knie zu ihrem Werk In meiner künstlerischen Forschung analysiere ich naturwissenschaftliche Illustrationen, Begriffe und Methoden, wie sie in der (Mikro-)Biologie, Astronomie und Astrobiologie angewandt werden und materialisiere ihre multiplen Schnittmengen sowohl analog als auch im digitalen Raum. Teils kreiere ich raumgreifende Modelle mit taktilen und sensorischen Qualitäten, die den Zugang zu wissenschaftlich-intellektuellen Inhalten ebnen, oder im Sinne einer gestalterischen Spekulation in hypothetische Formen transformieren. Mein Werk nähert sich dabei auch biomimetischen Zugängen in Modellen hybrider (textiler) Materie an und führt wissenschaftliche Methoden und Metaphoriken künstlerisch zusammen. Durch ein kontinuierliches künstlerisch-experimentelles Labor, das die verschiedenen Verbindungen zwischen der biologischen Welt und den Phänomenen des Universums simuliert und erforscht, versuche ich jenseits von empirischer Logik neue Wahrnehmungskontexte in Kunst und Naturwissenschaft zu eröffnen. Biografie Alexandra Knie (1984 in Mechernich geboren) ist bildende Künstlerin und lebt und arbeitet in Valencia (Spanien). Sie hat von 2003 bis 2007 Malerei an der der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn studiert, ergänzend Freie Kunst an der Akademie der Bildenden Künste in Genua (Italien, 2006) sowie Kulturwissenschaften an der Universität Paderborn (2009). Alexandra Knie hat internationale Stipendien und Auszeichnungen erhalten, darunter Enclave Land Art, Quesa/Valencia (2023), Neustart Kultur vom Deutschen Künstlerbund e.V., Berlin (2021), FACBA 21 von der Fakultät der Bildenden Künste der Universität Granada (2020), Cultura Online (2023, 2020) und Cultura Resident (2018) vom Consorci de Museus de la Comunitat Valenciana (Museumsverband Land Valencia) sowie den Ankaufspreis der ATP auf der Contextile - Biennale für zeitgenössische Textilkunst in Guimarães (Portugal, 2016). Alexandra Knie hat in Spanien, Deutschland, Portugal, den Niederlanden, den Vereinigten Staaten und Litauen ausgestellt; u.a. im Museum MACVAC in Vilafamés (Spanien, 2024), im Centro Cultural Las Cigarreras in Alicante (Spanien, 2023), im Kunstmuseum Ahlen (Deutschland, 2021); im Centro Cultural Caja Granada (Spanien, 2021); im Centre del Carme, Valencia (Spanien, 2023, 2020, 2018); im Museum August Macke Haus, Bonn (Deutschland, 2020), im Museum für Angewandte Kunst, Köln (Deutschland, 2019), im Dissney Hub, Barcelona (Spanien, 2019) und im Centro Cultural Vila Flor, Guimarães (Portugal, 2018, 2016). Alexandra Knie – Space PlantsRede zur Eröffnung im Brühler Kunstverein, 9. August 2024, Ina Ewers-SchultzEine Reise in Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit Space plants hat Alexandra Knie ihre Ausstellung überschrieben. Pflanzen im Raum, oder im Weltraum. Heute und hier unternehmen wir zusammen mit der Kunst von Alexandra Knie eine Reise ins Weltall. Pflanzen im All, das könnte als Widerspruch erscheinen. Doch: Die Astrobotanik erforscht das Pflanzenverhalten im Weltraum. Auf der ISS werden irdische Pflanzen der Schwerelosigkeit ausgesetzt und ihre Reaktion erforscht. Die sowjetische Crew experimentierte schon 1982 mit Schaumkressen-Blumen auf ihrer Raumstation, die NASA möchte ihre Astronauten mit Nahrung aus dem Weltall versorgen und so längere Flüge ermöglichen. Andere Experimente beschäftigen sich mit Pflanzen im Mondstaub. Und eine Forschergruppe aus Bremen schickte 2018 Tomatensamen in einem Gewächshaus per Satellit in den Weltraum. Wie verhalten sich diese Pflanzen, die von der Erde in den Weltraum gebracht werden? Welche Überlebensstrategien entwickeln sie so ganz ohne Bodenhaftung, ohne die richtige Mischung aus Sauerstoff und CO2? Und: gibt es wirklich eigene Pflanzenspezies im Weltraum? Wie es mit einem Leben jenseits der Milchstraße? Und wie sähe so ein Leben aus? Darüber hat sich Alexandra Knie Gedanken gemacht und nimmt uns hier mit in ihre visuellen Welten der unterschiedlichsten space plants. Ausgangspunkt ihrer Kunst bleibt die Natur – allerdings auf der Basis neuester Forschungserkenntnisse. „Wer auf die Theorie ganz verzichten und reine Wissenschaft bloß aus sicheren Tatsachen aufbauen will, der verzichtet damit auf die Erkenntnis der Ursachen überhaupt,“ schreibt der Mediziner und Biologe Ernst Haeckel Ende des 19. Jahrhunderts. Die Künstlerin stellt Hypothesen auf. Realität und Fantasie gehen eine Symbiose ein. Interaktion zwischen Kunst und Wissenschaft spielen bei ihr eine ganz besondere Rolle. Was sehen wir? Zu sehen sind einfache, archaische, manchmal bizarre Formen. Amorphe, fließende Formen und fadenartige Gebilde. Es sind Formen, die an Pflanzen erinnern, aber auch Zwitterwesen, die wie eine Kreuzung zwischen Pflanze und Tiere erscheinen, wenn das Objekt krakenartig auszugreifen scheint. Manche Formen erinnern an Algen, an Bilder, die wir unter Mikroskopen sehen, andere an Korallen, Würmer oder Lianen, die über den Boden kriechen. Bei anderen Arbeiten wachsen Fäden wie Luftwurzeln aus der Fläche hervor und erobern den Raum. Einmal gefundene Formen greift die Künstlerin immer wieder auf, variiert sie, spiegelt sie, arbeitet mit Positiv- und Negativformen. So erwächst aus den archaischen Linien eine unglaubliche Vielfalt an Einzelmotiven. Zum Beispiel Spiralen, die wieder an entfernte Galaxien erinnern. Manche Formen erscheinen wie ein Porträt in Stoff gestickt und auf Keilrahmen aufgezogen. Hier präsentieren sie sich in voller Größe. Dann gibt es kleine runde Objekte, die die Wand besiedeln als wären sie lebendig, als hätten sie sich aus den Rechtecken der Bilder befreit. Formen überlagern andere, woraus eine unglaubliche Lebendigkeit entsteht. So wirkt es, als würden die Formen interagieren. Dies ist vor allem da der Fall, wo ihre gefundenen Pflanzenformen mit denen aus dem gewebten Material der alten valencianischen Trachtenstoffe in einen Dialog tritt. In einem scharfen Kontrast prallen heimische Blumen auf die unbekannten Wesen, verweben und durchdringen sich, überlagern sich, verbinden sich. Andere Objekte unterschiedlichster Formen und Materialien befinden sich in einem eingezäunten, begrenzten Garten von metallenen Stelen. Doch die Eingrenzung funktioniert nicht wirklich. Die Natur scheint sich das von den Menschen Gemachte zurückzuerobern, überlagert es, dringt in den Raum vor. Hier entsteht eine Symbiose aus natürlichen und synthetischen Materialien, aus Bekanntem und Unbekanntem. Manche Formen wirken vollständig abstrakt. Und sind oft von der Natur inspiriert. Manchmal muss man nur genau hinschauen oder Hilfsmittel verwenden. Schauen Sie eine Flechte unter der Lupe an – hier besiedeln Flechten die von der Künstlerin verwendeten abgestorbenen Äste. Dann entdecken Sie kleine schüsselartige Mulden. Diese hat die Künstlerin vergrößert und aus Eierkartons nachgebildet. Woher kommt diese Formenwelt? Die Künstlerin lässt sich für ihre Projektion der Weltraumpflanzen vor allem von Meerespflanzen inspirieren. Die Urformen allen Lebens auf der Erde finden sich vor allem im Wasser, das zugleich der Spiegel des Universums ist. Im Wasser reisen wir in die Vergangenheit und in die Zukunft gleichermaßen. Wie im All. Denn das Licht weit entfernter Sterne erreicht uns oftmals erst nach tausenden oder hunderttausenden von Jahren, da sind die Sterne längst erloschen, wenn wir es sehen. Eine fast unbegreifliche Vorstellung. Bisher ist das Universum nur zu etwa 5% erforscht– kein Wunder bei den unendlich scheinenden Dimensionen und der Unerreichbarkeit, wo nur das Hubble- Teleskop ein bisschen Wissen aus dem Weltraum auf die Erde bringt. Aber genauso wenig wissen wir tatsächlich über unsere Ozeane auf der Erde. Viele Spezies besonders der Tiefsee werden gerade erst entdeckt. Je weiter in die Tiefe es geht, je absonderlicher erscheint, was dort vorzufinden ist – bei Tieren wie Pflanzen gleichermaßen. Die Lebens- und Anpassungsfähigkeit an Dunkelheit bringt wunderliche Erscheinungsweisen hervor, in Formen und Farben. Bioluminiszenz spielt unter Wasser eine noch größere Rolle als auf der Erde. Viele der Lichtwellen sind für uns Menschen unsichtbar, Lichtwellen, die beispielsweise auch Pflanzen abgeben in Form von überschüssiger Energie bei der Photosynthese. Hier werden wir heute mit den Werken von Alexandra Knie Teil dieser Entdeckung unbekannter Lebewesen. Bioluminiszenz ist ein eigenartiges Phänomen. Es sind fluoreszierende Garne, die die Künstlerin immer wieder in ihren Stickereien verarbeitet. So simulieren die Kunstwerke unter Schwarzlicht noch stärker ihren Anspruch auf Authentizität. Und indem sie leuchten, scheinen sie lebendig zu werden. Kunst und Wissenschaft Kunst, Handwerk und Wissenschaft gehen in Alexandra Knies Werken eine enge Symbiose ein. Dabei verknüpft sie diese Dinge auf ganz eigenständige Weise, erweitert das Künstlerische. Immer wieder arbeitet sie eng mit der Wissenschaft zusammen und wendet deren Methoden auch auf ihre Kunst an. Sie beschäftigt sich mit Mikrobiologie, Astronomie und Astrobiologie. Sie verwendet Lupen, Mikroskope und Elektronenrastermikroskope, um neue Erkenntnisse über Formen zu gewinnen. Für die heutige Installation knüpft sie an vorangegangenen Arbeiten und Forschungen an. Über Jahre hat sie sich mit den Eigenschaften und Strukturen von Viren auseinandergesetzt – lange vor Corona. Dabei interessierte sie vor allem die Frage nach der Existenz von Viren im Weltraum. Der Orbit ist schon seit langem ihr Thema. Auch zum Thema Bio-Fusion hat die Künstlerin gearbeitet. Sie untersuchte die Reaktion von Pflanzen auf ihre synthetischen Fäden und die Strukturen ihrer Kunstwerke und ließ etwa Sprossen auf ihren synthetischen Fäden wachsen. Der Versuch fand im Herbarium einer Universität als Forschungsprojekt statt. Auch hier finden bei den space plants finden nun natürliche Materialien wie Algen oder Flechten Eingang in ihre Kunstwelten. Die Algen werden sogar bestickt – eine Herausforderung für sich. Mit ihren sprichwörtlichen Verwebungen von Materialien wie Forschungsfeldern die Wahrnehmungsdimensionen, in dem sie für ihre Stickereien auf die naturwissenschaftlichen Perspektiven zurückgreift. So werden die mit der Maschine gestickten Kunstwerke wiederum unter ein Rasterelektronenmikroskop gelegt. So wird die in Auseinandersetzung mit der Biologie oder Wissenschaft entstandene Kunst selbst zum wissenschaftlichen Forschungsobjekt. Aufnahmen davon wiederum zu Kunstwerken. Alles ist miteinander verwoben. Lernen von der Natur verbindet Kunst und Wissenschaft seit jeher und hat durch das Fachgebiet der Bionik in den letzten Jahren noch einmal Auftrieb erhalten –wenn wir etwa die Flugzeugflügel nach der Beschaffenheit der Flügel von Insekten konstruieren, uns den Lotuseffekt zunutze machen oder den Klettverschluss. Kunst und Natur bilden eine alte Wechselbeziehung. Jahrhundertelang, seit etwa 1450, war es das Anliegen der Kunstschaffenden, durch Hilfsmittel wie der Erfindung der Zentralperspektive oder der Ölfarbe, ein möglichst getreues Abbild der Wirklichkeit herzustellen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts befreiten sich Künstlerinnen und Künstler von dieser Abhängigkeit und führten die Kunst zu autonomer Bedeutung mit eigener Wertigkeit. Seitdem eröffnen sich völlig neue Möglichkeitsräume, die bis heute nicht nur durch die Kombination neuer Materialien und Techniken erweitert werden. Material, Technik und Arbeitsweise Bei Knie gehen die unterschiedlichsten Bereiche ganz poetische Verbindungen ein. Für diese nutzt sie eine ganz alte Kulturtechnik, das Sticken. Die Entstehung des Kunstwerks ist ein langer Prozess. Vor dem Sticken ihrer Formen steht eine lange Zeit der Vorbereitung: das ist die beschriebene Auseinandersetzung mit der Forschung, auf die unzählige Zeichnungen auf Papier folgen. Diese werden eingescannt und im Computer weiter bearbeitet und anschließend in eine Stickdatei für die Stickmaschine umgewandelt. Immer wieder stellt sich die dabei die Frage nach dem Stich, Plattstich, Füllstich oder dem Steppstich, die Frage nach der Form und dem Material des Bildträgers. Seit Jahrhunderten gehören Stoff und Faden zur Kunst. Die großartigen Wandteppiche von Bayeux aus dem 11. Jahrhundert seien erwähnt, ebenso, dass die Stickerei im Mittelalter und der frühen Neuzeit gleichwertig neben der Malerei anzusiedeln ist. Stickereien nach Entwürfen von Raffael oder Rubens galten sogar als wertvoller als ihre Malereien – wegen des großen Aufwands. In Klöstern stickten Nonnen wie Mönche. Erst mit der Neuordnung des Handwerks in Zünften wurde Sticken zunehmend zu einer Männerdomäne. Ausführung und Entwurf lagen nicht mehr in einer Hand. Die Frauen stickten nun für den Alltag, für den Gebrauch, eben für den häuslichen Bereich – vor allem seit der Industriealisierung und der damit einhergehenden Arbeitsteilung. In den Schulen war Sticken Teil des Unterrichts – nur für Mädchen versteht sich. Mit der Auflösung der Hierarchien zwischen Kunst und Kunsthandwerk um 1900 änderte sich dies. Kunst und Leben sollten sich durchdringen. In radikaler Weise hat sich schließlich eine feministische Kunstrichtung der 1960er und 70er Jahre ihre Position in der männerdominierten Kunst erkämpft – oftmals unter neuartiger Verwendung gerade der „weiblichen“ Materialien. Indem nun Knie die vertrauten heimischen Materialien mit wissenschaftlicher Methodik, mit technischen Hilfsmitteln verwendet, durchbricht sie noch einmal diese vermeintlichen traditionellen Zuständigkeitsbereiche. „Weit Entferntes, Unbekanntes oder für das bloße Auge Unsichtbares wird durch die Stickerei in einen vertrauten Kontext gesetzt“, sagt die Künstlerin selbst über die Wahl ihrer Nadelmalereien für ihre komplexen Themenfelder. Gehen Sie nun auf eine Reise zwischen Fiktion und Realität, zwischen Fakten und Hypothesen. Tauchen Sie ein in die Welt der Space Plants in Knies faszinierend ästhetischen Kosmos mit seinen Hintergründigkeiten. Manchmal schimmert hier der janusköpfige Gegensatz zwischen Natur und dem menschlichen Bedürfnis durch, diese zu begreifen oder zu verändern – oftmals ohne die Risiken einzukalkulieren. Vor allem werden wir auch immer wieder mit unserer Unkenntnis konfrontiert. Was wissen wir wirklich über das Leben der Pflanzen? |
Bilder von der EröffnungKarola Meck-Theben, Dr. Ina-Ewers-Schultz, Alexandra Knie und Gaby Zimmermann (v.l.n.r.) Günter Kielmann unterhielt das Publikum mit seiner Querflöte Dr. Ina-Ewers-Schultz führte in ihrem Vortrag durch Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit Blick in die AusstellungLittle Cosmic Garden, 2024 Little Cosmic Garden, 2024 Ancient Space Plants I, 2024, 120 x 90 cm Fotos: G.M.Wagner |