Brühler Kunstverein
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Annebarbe Kau - plop

Ausstellung vom 3. bis 25. September 2021


Den leisen Tönen und zarten Linien widmet sich die Ausstellung "plop" von Annebarbe Kau. plop, ein Klang, eine Überraschung, ein Tropfen - ein einzelner Tropfen. Diese Einmaligkeit möchte Annebarbe Kau in ihrer Ausstellung im Brühler Kunstverein erlebbar machen. In dem Raum, der fast an ein japanisches Teehaus erinnert, werden Zeichnungen aus Draht und auf Papier aktuellen Klangarbeiten gegenübergestellt. Die neueste Arbeit "soso/ maa maa" ist eine Schallplattenproduktion der Künstlerin, musikalisch entwickelt in Zusammenarbeit mit dem japanischen Sounddesigner Jun Mizumachi aus Tokio. Seine Klänge wurden durch eine zeichnerische Komposition von Annebarbe Kau inspiriert. Sie wiederum singt oder, genauer formuliert, kreiert mit eigenem Sprechgesang das Blatt klanglich nach. So entsteht neben der Korrespondenz mit der konkreten Poesie eine ganz eigene räumliche Dimension.

Annebarbe Kau, o.T., 2020

Annebarbe Kau, o.T., 2020

Zur Künstlerin

  • A. Kau lebt als freischaffende Künstlerin in Köln
  • seit 2012 Vorstandsmitglied des Deutschen Künstlerbundes
  • Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland
  • Trägerin vieler Stipendien und Preise

Weitere Informationen zur Künstlerin Annebarbe Kau finden Sie im Internet unter www.annebarbekau.de

Annebarbe Kau: plop

Einführungsrede von Anne Mager, Kuratorin und Kulturmanagerin

Klang, Sound oder musikalisch-akustische Elemente, etwa in Form von Klangskulpturen und raumgreifenden Soundinstallationen sind schon seit langem ein wesentlicher und charaktistischer Teil von Annebarbe Kaus Werk. Viele kennen und schätzen sie für vor allem für ihre auf den ersten Blick minimalistischen anmutenden Malereien, Zeichnungen und Skulpturen. Dabei arbeitet Annebarbe Kau seit jeher über Genregrenzen hinweg und bringt mit Leichtigkeit, doch immer auch Präzision Video, tänzerische oder performative Momente, Skulptur, Sprache, Zeichnung und eben auch Sound- und Klangelemente zusammen.

Geboren in Ratingen, hat Annebarbe Kau nach einer Ausbildung in experimenteller Gestaltung in Zürich und nach ihrem Studium der Philosophie, Geschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften in Köln u.a. in Los Angeles und New York Kunst studiert und war dann Mitte der Achtziger Meisterschülerin von Prof. Nam June Paik an der Kunstakademie Düsseldorf. Multidisziplinarität und Multimedialität scheinen also von Anfang an ein besonderes Interesse gewesen zu sein.

Annebarbes Arbeiten sind selten – im unmittelbaren Sinne des Wortes – laut. Wir müssen uns zum Beispiel erst ihren fragilen Wandarbeiten sehr stark nähern, um ihre Beschaffenheit – hier an den Wandarbeiten in dieser Ausstellung beispielsweise Papier, Farbe und Draht – zu erkennen. Und auch die ganz neu entstandene Arbeit "soso/ maa maa" schreit den Besucher*innen nicht laut entgegen, sondern irritiert auf mehrfacher Ebene: "soso" hören wir die Künstlerin selbst in fast dadaistischer Manier vortragen, in unterschiedlichem Rhythmus, mal schneller, mal langsamer, mal leiser, mal mit mehr Nachdruck. Ausgangspunkt ist ein handschriftlich erstelltes Manuskript konkreter Poesie von Lauten, Silben, Klänge und Tönen – "soso" in immer neuer Wiederholung – oder vielmehr eine Zeichnung, die auf auf zerknüddeltem, zerstochenem und mit rotem Faden wieder zusammengenähtem Papier zu sehen ist. Entstanden ist diese 2020, Annebarbe Kau beließ es aber nicht allein bei diesem visuellen Stück, das beim Betrachten und Lesen Klänge und Töne in unseren Köpfen und inneren Ohren erklingen lässt und auch nicht bei der eigenen Vertonung, die wir hier hören. Stattdessen hat sie den japanischen Sounddesigner Jun Mizumachi aus Tokio eingeladen, seine ganz eigene Interpretation umzusetzen. Beide kennen sich aus New York aus den Neunzigern, während des Lockdowns letzten Jahres fand sich dann endlich wieder ein Anlass, eine Idee und eben auch die Zeit, wieder in Kontakt und in künstlerischen Austausch zu treten.

Beide Künstler*innen auf deutscher und japanischer Seite hatten also den gleichen Ausgangspunkt – Annebarbe Kaus zerknüddelte und vernähnte "soso"-Zeichnung, sozusagen eine zeichnerische Komposition –, gehen aber in ihrer Interpretation in ganz verschiedene Richtungen: Annebarbe Kau selbst eher konkret, fast nüchtern; Jun Mizumachi entfaltet in einer freien Übersetzung der Zeichnung und fast doppelter Länger einen komplexen, eher abstrakten Soundteppich unter dem Titel "mama" – der japanischen Übersetzung des deutschen "soso". Konsequenterweise ist eine Schallplattenedition entstanden, die beide Stücke auf jeweils einer Seite sowie die Zeichnung auf dem Cover als Gesamtkunstwerk zusammenbringt. Hier präsentiert auf zwei Schallplatten können sie jeweils mit Kopfhörern individuell erlebt werden. Dabei ist für Annebarbe Kau allein der Klang im Raum – oder hier auf jedem jeweiligen Paar Ohren – gar nicht so entscheidend. Sie interessiert die zeichnerische und plastische Beschaffenheit der Klangquelle und deutlicher könnte sie dieses Interesse hier nicht auf den Punkt bringen.

"Maa maa", also die Übersetzung von "soso", hat auch im Japanischen verschiedene Bedeutungen und Konnotationen: Es beschreibt nicht nur etwas, das weder gut noch schlecht ist – also soso oder so lala – , sondern wird wohl auch verwendet, um jemanden zu beruhigen. Interessanterweise beschreibt Ma im Japanischen aber auch ein philosophisches Konzept: Ma ist etwas, das sich auf alle Aspekte des Lebens bezieht. Es wurde als eine Pause in der Zeit, ein Intervall oder eine Leere im Raum beschrieben. Ma ist die grundlegende Zeit und der Raum, den das Leben braucht, um zu wachsen, also quasi Voraussetzung und Rahmung zugleich.

Pausen, Intervalle und Auslassungen, also Rhythmen als regelmäßige Abfolgen von Mustern, spielen in Annebarbes Arbeiten, sowohl im Zeichnerischen und Skultpturalen als auch in ihren multimedialen Arbeiten, eine besondere Rolle. Wir finden dieses Spiel zwischen Auslassung und Rahmung und mit Wiederholung in ihren filigranen Wandarbeiten, von denen sie im Brühler Kunstverein genau gesetzte Auswahl präsentiert. Wir finden diese Themen und ihre Muster aber immer wieder vor allem in ihren Zeichnungen, die sie hier als gebundenes Buch präsentiert – digitalisiert und doch wieder ganz analog: ein "Ein Bilderbuch für Erwachsene", wie die Künstlerin es beschreibt, "Zeichnungen als Gedanken, ein fiktives Tagebuch der Gedanken in Form von Zeichnungen". Ein Tagebuch ist es tatsächlich, denn seit langen füllt Annebarbe Kau diszipliniert und konzentriert ein visuelles Tagebuch: eine Zeichnung pro Tag. Keine Skizze für andere Arbeiten, sondern vielmehr täglich eine kleine Arbeit für sich. Mit einem Haiku vergleicht sie diese Zeichnungen in A4 oder in etwas kleinerem Format, also mit jener traditionellen japanischen Gedichtform, die heute weltweit verbreitet ist. Das (oder der) Haiku gilt als die kürzeste Gedichtform der Welt, bei der meist in drei Zeilen siebzehn Silben vorkommen, also eine sehr exakte Struktur oder Rahmung.

Japanische Referenzen tauchen in dieser Ausstellung immer wieder auf, nicht zuletzt wenn die Künstlerin den Ausstellungsraum im Brühler Kunstverein, dieser einfache, nicht zu große und klar gegliederte Raum, der sich mit seiner seitlichen Fensterfront dem kleinen Garten zuwendet, mit einem japanischen Teeraum vergleicht. Und um wieder zurück zum japanischen Konzept des Ma zurück zu kommen: Annebarbe Kau folgt im Grunde hier genau diesem Prinzip: Mit ihren genau gesetzten Wandarbeiten und ihren Zeichnungen erforscht sie die Themen Pausen und Zeit, Leere und Raum. Wenn aber Ma, wie eben schon, sehr vereinfacht, gesagt, sich auf alle Aspekte des Lebens bezieht – dann tut Annebarbe Kau es hier auch, wenn auch nicht auf den ersten Blick ersichtlich.

Die Papierelemente, die wir hier als Bodenarbeit sehen, haben neben ihrer Umnutzung als künstlerisches Material ansonsten eine ganz andere Verwendung. Annebarbe Kau war 2015 Jahreskünstlerin im Bestattungshaus Pütz-Roth in Bergisch Gladbach, das seit 2005 Künstler*innen die Möglichkeit bietet, ein Jahr lang die Arbeit des Bestattungshauses zu begleiten – eine wirklich ungewöhnliche und tiefgehende künstlerische Recherche- und Arbeitsmöglichkeit also. Annebarbe Kau hat in diesem Jahr nicht nur weiter ihr Interesse an der Erlebbarkeit unterschiedlicher Erfahrungsbereiche, durch etwa das Wechselspiel von Bild und Ton, vertieft, sondern auch ein Material mitgebracht: Diese Kartonschnipsel, die wir hier als Bodenarbeit sehen, nochmals quasi verstärkt durch eine "ploppende" Soundinstallation – wirken zunächst fast banal, durch ihre sonstige Verwendung verwandeln sie aber im wahrsten Sinne des Wortes alles Alltägliche, denn mit ihnen werden in den Krematorien die Särge zusätzlich vor der Verbrennung gefüllt.

"plop" nennt denn Annebarbe Kau auch ihre Ausstellung. Etwas, das kurz da ist, vielleicht einen Nachhall oder ein Echo hat oder einfach in Raum und Zeit verschwindet. Sich also quasi im Ma auflöst. Wie das Leben selbst.

Anne Mager, 3. September 2021

Einladungskarte A.Kau

Annebarbe Kau - "soso" - 2020 - Zeichnung auf Papier (Ausschnitt)

 

Bilder von der Eröffnung

BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Gaby Zimmermann (m) begrüßt die Künstlerin Annebarbe Kau (r) und die Kunsthistorikerin Anne Mager.

BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Die Kuratorin und Kulturmanagerin Anne Mager erläutert kenntnisreich die Werke der Künstlerin.

BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Die Vernissage konnte bei einem lauen Sommerabend draußen stattfinden.

BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Das Plakat zur Ausstellung

BKV Ausstellung Annebarbe Kau


BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Die Vorsitzenden Gaby Zimmermann und Karola Meck-Theben mit der Künstlerin Annebarbe Kau (v.l.)

BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Anne Mager hört die Schallplattenedition.



Blick in die Ausstellung

BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Ausstellungsraum Alte Schlosserei mit Exponaten von Annebarbe Kau

BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Schallplattenspieler zum Hören der Schallplattenedition

BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Von der Zeichnung "soso/ maa maa" ist die Schallplattenproduktion der Künstlerin inspiriert.

BKV Ausstellung Annebarbe Kau
Weitere Arbeiten von Annebarbe Kau

BKV Ausstellung Annebarbe Kau


BKV Ausstellung Annebarbe Kau


Fotos: G.M.Wagner