Brühler Kunstverein
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Bodo Rott - Mundus Convulsus

Ausstellung vom 10. Mai bis 2. Juni 2019


Bodo Rott - Mundus Convulsus

Bodo Rott, "Frühsommer im Atelier", 2017, Monotypie, 102 x 72 cm, Foto: gebhardt reproduktionen Berlin

Zur Ausstellung

In der Ausstellung beim Brühler Kunstverein in der Alten Schlosserei des Marienhospitals zeigt der in Berlin lebende Künstler Bodo Rott neuere Arbeiten. Diese jüngsten Werke sind wahre Energiebündel malerischer und zeichnerischer Kreativität. Sie befremden durch ihre Ambivalenz, einen Twist, eine Verdrehung, die uns Schwindel macht.

2015 hat er in seinem Schaffen eine Wende vollzogen. Zugunsten einer Fauna- und Tierwelt hat er sozusagen das zeichnerische Gerüst seiner Bilder nach außen gekehrt. Entstanden ist daraus der Werkkomplex „Hortus Convulsus“, wie ihn der Maler nennt, und was so viel heißt wie der verdrehte, der verzerrte Garten. Anders als der historische „Hortus Conclusus“, auf den der Name anspielt, zeigen die Bilder von Bodo Rott keine wohlgeordneten Räume mit Ertragsversprechen, sondern ein verwirrendes Gestrüpp aus mit Linien und Farben bedeckten Schnipseln, das den Betrachter zum Hineingreifen verführt.

Bodo Rott gibt darin den Anschein, aus vielerlei floristischem Dekor eine Collage zusammengestellt zu haben. Jedes Detail für sich hat sein Vorbild in den mittelalterlichen Buch- und Pflanzenmalereien. Und natürlich lässt der Künstler den Betrachter nur denken, es handele sich um eine Collage. Durch geschickte Schattensetzung hebt er Elemente aus der Leinwand heraus und lässt andere in die Tiefe gleiten. Hier ist der Maler der Herr seines Kosmos´, der Gestalter seiner Welt, aber auch hier eine Verdrehung, ein Twist.

Denn Bodo Rott malt in Öl, aber was er malt sind Zeichnungen oder eigentlich eine zeichnerische Mischung von Kalligraphie, Holzschnitt und Post-it-Graffiti. Seine aktuellen großformatigen Ölgemälde spielen verblüffend mit der Tiefe des Raumes und nehmen dabei leichtfüßig Bezug zur Kunstgeschichte. Aufwändig gestaltete Details werden verschwenderisch eingesetzt, das Auge will einem beim Betrachten schier übergehen. Eine intelligente Verspieltheit gepaart mit technischer Meisterschaft fordern die Wahrnehmung heraus. Den Raum hat Bodo Rott immer im Blick. Perspektive und die Grenzen der flächigen Malerei sind immer seine Themen.

Man kann sagen, Bodo Rott simuliert mit klassischen malerischen Mitteln mittelalterliche und barocke Topoi, die er auf diese Weise verfremdet. Damit kommentiert er die Malerei als Darstellungsform, das Nebeneinander der holzschnittartigen Schnipsel wird zu einem Ganzen, bei dem das Historische mitschwingt, das aber eigenen Wirkungsweisen folgt.

Etwas Magisches und Zauberartiges durchdringt diese Arbeiten. Die „Nichtkinderkinder“, der bildnerische Kosmos, der sein künstlerisches Profil begründete, sind als Figuren der Statur nach Kind, wäre da nicht ein Ausdruck dieser Figuren, der den Betrachter verunsichert. Da lauert etwas in diesen Figuren. Sie sind nicht unschuldig. Sie haben ein Geheimnis. So richtig süß sind sie nicht, diese Bodo Rott-Menschen.

2015 sind sie vor den Gestrüppen aus den Ölgemälden gewichen, verweilten aber in den Zeichnungen, um 2017 mit Macht in den großformatigen Monotypien zurückzukehren, die Bodo Rott auf einem Stipendienaufenthalt in Ahrenshoop begann. Dort musizieren, randalieren, beschworen oder forschen sie, mittlerweile in neuer Gestalt auch wieder in den Ölbildern. Bodo Rotts Natur ist die Neugierde. Er ist experimentierfreudig in seiner Malerei und findet über den Dialog der Techniken und Strategien immer wieder neue Wege.

Von einem dieser Wege hat Bodo Rott auch Monotypien nach Brühl mitgebracht. Eine Monotypie ist eine Druckgrafik mit der Auflage „Eins“. Diese Widersprüchlichkeit wirft durchaus ein Licht auf Bodo Rotts hintergründigen Humor, wird doch Drucktechnik eigentlich eingesetzt, um zu vervielfachen. Bodo Rott nutzt diese Drucktechnik, um dem Zufall mehr Raum zu schenken und um die „Veränderung des Strichs“, der auf diese Art eine neue Qualität gewinnt.

Archaisch, rätselhaft und ausgelassen, so erscheinen die Arbeiten von Bodo Rott. Er will uns teilhaben lassen an dem Wunder einer Welt, die mit jedem Morgen neu entsteht.

Zum Künstler

Bodo Rott

1971 geboren in Ingolstadt
1992 Studium an der Akademie der bildenden Künste Nürnberg
1996 Wechsel an die Hochschule der Künste, Berlin
1999 Ernennung zum Meisterschüler der Hochschule der Künste, Berlin
lebt und arbeitet in Berlin

Preise und Stipendien (Auswahl)

2017 Arbeitsaufenthalt Künstlerhaus Lukas, Ahrenshoop
2012 Artist in residence, Litografiska Akademin, Tidaholm, Schweden
2010 Lithographie - Stipendium des Münchner Künstlerhauses
2001-2003 Atelierstipendium der Karl Hofer Gesellschaft, Berlin
2000-2001 Stipendium der Konrad Adenauerstiftung aus dem Else-Heiliger-Fonds

Ausstellungen (Auswahl)

2019:
Sternlose Nacht, Kunstsammlungen der Stadt Limburg (EA)
Schwarz und Weiß, galerie 13, Freising
Koffer im Kopf, Museum Penzberg/Sammlung Campendonk
Mundus Convulsus, Brühler Kunstverein (EA)
bubblestereo, Galerie Walderdorff, Molsberg (EA)

2018:
Skizzenbuchgeschichte(n), Pinakothek der Moderne
rückwärts zu fließen scheinet der strom, Städtische Galerie Harderbastei, Ingolstadt (EA)

2017:
bubblestereo, Brandenburgisches Landesmuseum für moderne Kunst, Frankfurt/Oder (EA)
Durchs innere Unterholz, Kunstverein Hof (EA)

2016:
Hortus Convulsus ,Galerie Köppe Contemporary, Berlin
Blau auf blasser Haut / Tattoo in der zeitgenössischen Kunst, Anhaltischer Kunstverein, Dessau

2015: Unreine Reime , galerie 13, Freising/ Kunstverein Erlangen (EA)
2014: LIVINGSTONE ,University of West Bohemia, Pilsen
2013: Der Mensch Der Fluss, Balassi Institut, Wien
2011: Malereigegenmalerei, Galerie im Saalbau, Berlin (EA)
Rund gemalt und bunt gehauen, Kunstverein Wasserburg (EA)
34 zu Kleist, Städtische Galerie, Speyer
Druckgrafik_aktuelle Positionen 2, Europ. Künstlerhaus Schafhof, Freising
Tierisch, GKA, Haus der Kunst, München
34 zu Kleist, Städtische Galerie, Speyer 2010: Lieblingsbilder, Städt. Galerie, Regensburg
2009: Generationen, 20 Deutsche Jahre, Kunsthalle Brennabor, Brandenburg
2008: Rainbow, Kulturzentrum Adlershof, Berlin
2007: Mischlicht, Kunsthalle Vierseithof, Luckenwalde (EA)
GKA, Haus der Kunst, München
2005: Intercity, Haus am Waldsee, Berlin

Weitere Informationen im Internet unter www.bodorott.de

Bodo Rott, Wassermusik, 2017

Bodo Rott, Wassermusik, 2017

Rede zur Eröffnung: Bodo Rott - Mundus Convulsus

Wie kann man jemanden überraschen? Der 1971 in Ingolstadt geborene und in Berlin tätige Künstler Bodo Rott hätte auf diese Frage wohl eine ebenso frappierende wie evidente Antwort: »Indem man sich selbst überrascht.« Und tatsächlich sind die Überraschung und ihre noblere Schwester, die Entdeckung, entscheidende Kriterien im Werk Bodo Rotts. Indem er - als erster Betrachter seiner Bildfindungen - sich selbst zu überraschen sucht, ist es geradezu unausbleiblich, dass auch die späteren Betrachter seiner Arbeiten von diesen überrascht werden und darin unentwegt neue Entdeckungen machen können. Die heute Abend im Brühler Kunstverein eröffnende Ausstellung kann somit selbst als eine Art Entdeckungsreise oder Expedition aufgefasst werden, an deren Spitze der Sehfahrer (mit einem e und h geschrieben) und Entdecker neuer (Bild-)Welten, Bodo Rott, steht.
Das Ziel dieser mit feierlicher Zeremonie entsandten Expedition ist das Auffinden einer neuen Passage in die/den »Mundus Convulsus«. Der lateinische Ausstellungstitel »Mundus Convulsus« lässt sich etwa mit »erschütterte«, »zerrissene« oder »veränderte Welt« übersetzen. Auch ist er eine Anspielung auf die im Jahr 2015 begonnene Werkgruppe »Hortus Convulsus«, der einige der hier gezeigten Arbeiten angehören. »Hortus Convulsus« wiederum (also soviel wie der »ein-«, »nieder-« oder »aufgerissene Garten«) nimmt ironisierend Bezug auf das klassische Bildthema des »Hortus conclusus« (den »verschlossenen« oder »umfriedeten Garten«). Ein bedeutendes Bildmotiv im Kontext der mittelalterlichen Mariensymbolik, das auf Kapitel 4, Vers 12 des alttestamentarischen Hoheliedes gründet: »Meine Schwester, liebe Braut, du bist ein verschlossener Garten, eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Born«. Die meisten von Ihnen werden aus eigener Anschauung Stefan Lochners Gemälde »Madonna im Rosenhag« kennen, ein Paradigma eines Hortus conclusus, emblematisches Hauptwerk des Kölner Wallraf-Richartz-Museums. Und ganz unwillkürlich sieht man das unnachahmliche, tiefe und doch lichte Blau des Mariengewands vor dem inneren Auge. Ein majestätisches Blau, ruhig und kontemplativ; welches man, einmal gesehen, nie wieder vergisst.

Lochners Rosenhain, sein Hortus conclusus, verhält sich zum Hortus convulsus, zum Mundus convulsus Rott’scher Prägung wie ein Klostergärtlein zum Urwald. In Bodo Rotts Bildwelten wimmelt es nur so von Formen, Farben und Gestalten. Alles scheint zu vibrieren wie die hart angerissene Saite einer stark verzerrten Elektrogitarre. Die Umrisse, Figuren, gegebenen Dinge grenzen sich (auch farblich) deutlich voneinander ab; sie könnten jeden Moment den Bildgrund (die Leinwand, das Papier), auf dem sie festgehalten und zusammengedrängt sind, zerreißen und gleich einem Urknall in alle Richtungen auseinanderstieben, schon schiebt sich das eine oder andere Wesen oder Ding keck über den Bildrand hinaus … Gleichzeitig herrscht in diesem Trubel auch ein großer innerer Zusammenhalt, denn jede Form, jede Figur, jede Gestalt wird von den sie umgebenden ja erst konturiert. Auch ist in diesen Panoptiken ein ständiges Heraus- schnellen und wieder Zurückziehen. Was immer man in den Blick nimmt, was immer man erkennt oder zu erkennen glaubt, tritt sogleich geradezu plastisch aus der Bildfläche hervor, fällt aber auch sofort wieder auf diese zurück, wenn man zum nächsten schweift. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich ein Motiv in der Bildmitte oder an der Peripherie befindet: Diese Dynamik erfasst stets den gesamten Bildraum. Alles ist an seinem Platz, und solange es wahrgenommen, gesehen, wird, steht es im Vordergrund, im Mittelpunkt des Interesses.

Überhaupt zeichnen sich die Bildwelten des Bodo Rott durch Egalität aus. Alles, von der zerbeulten Coladose bis hin zur menschlichen Gestalt, findet die Aufmerksamkeit des Künstlers; denn alles besitzt die Qualität der Form und ist es daher wert, dargestellt zu werden. Der Sinn für Formen und Form, sein reflektiertes Formbewusstsein ist in meinen Augen dann auch das Charakteristikum seines Werks. Als ich ihn, in Vorbereitung auf diese Ausstellung, im Frühjahr in seinem Berliner Atelier besuchte, traf ich auf einen Pictor doctus ? Pictor doctus: »gelehrter Maler« ? ich lernte in der Hauptstadt einen Künstler mit Haltung, jemanden mit profunden Kenntnissen und weitreichenden Interessen kennen, jemanden der nicht dem Irrtum unterliegt, dass Ignoranz gegenüber dem Gewesenen oder schon Vorhandenen zu Neuem befähigen würde. Und doch paart sich alles Wissen, alle Kenntnis, alle seriöse Gelehrsamkeit bei Bodo Rott immer auch mit einem spöttischen Augenzwinkern und vor allem mit einer barocken Lust am Spiel mit Farben und Formen.

Bekanntlich sind Kinder die ernsthaftesten Spieler. Bei aller noch eben behaupteten Egalität nehmen seit einiger Zeit seltsame Kindmenschen eine zentrale Stellung im Bildkosmos von Bodo Rott ein. Wie sie dorthin gelangt sind? Niemand weiß es. Der Künstler hat sie nicht gerufen, sie sind unerwartet und ohne eingeladen worden zu sein erschienen. Gewissermaßen aus eigenem Recht. Und sie werden erst wieder von der Bildfläche verschwinden, wenn sie selbst es wollen. Es sind schillernde Wesen; eigensinnig, maliziös, genialisch treiben sie ihr böses Spiel. Sie erinnern mich an eine Äußerung des Dirigenten Nikolaus Harnoncourt, in der er seine Bewunderung für die Liebe von Mozarts Eltern zu ihrem Kind ausdrückte, denn schließlich sei in dessen kindlicher Genialität etwas Monströses gewesen, und es müsse doch sehr schwer sein, ein Monstrum zu lieben und aufzuziehen. Zum Glück erscheinen Bodo Rotts alterslose Enfants terribles - seine Vaterschaft wird er wohl kaum abstreiten können - nicht sehr liebebedüftig und ihre Erziehung nehmen sie lieber gleich selbst in die Hand. Sie mögen es zwar gesehen zu werden, aber beaufsichtigen lassen sie sich nicht. Daher ist ihr Erzeuger auch weniger in der Rolle des Vaters, als in der des Chronisten. Und wir, das Publikum, sind ohnehin jeder Verantwortung enthoben und können uns ganz unbeschwert der bunten, mitunter rätselhaften, aber immer faszinierenden Schau hingeben.

Jetzt aber genug der Worte, bevor Ihnen mit dem Hören auch noch das Sehen vergeht. Doch um zu sehen, sind Sie ja gekommen. Und falls Sie mit den Augen essen, werden Sie bei Bodo Rott immer reich gedeckte Tafeln finden und üppige Jagdgründe des Sehens.

Thomas Wallraff
 

Bilder von der Eröffnung und aus der Ausstellung

Ausstellung Bodo Rott, BKV
Thomas Wallraff, Bodo Rott und Gaby Zimmermann (v.l.n.r.)

Ausstellung Bodo Rott, BKV
Besucher bei der Vernissage am 10. Mai 2019

Ausstellung Bodo Rott, BKV


Ausstellung Bodo Rott, BKV


Ausstellung Bodo Rott, BKV


Ausstellung Bodo Rott, BKV


Fotos: G.M.Wagner