Brühler Kunstverein
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Andreas My - Feld

Ausstellung vom 19.3. bis 8.4.2017


Andreas My ©BKV

Zur Ausstellung:
In der ersten Ausstellung 2017 präsentiert der Brühler Kunstverein eine große Rauminstallation des in Köln lebenden Künstlers Andreas My. Die Elemente dieser Arbeit - Mauern und Flächen aus geklebter und gebauter Wellpappe - bilden eine archaische Landschaft. Wie Erdplatten sollen sie wirken, die durch imaginäre Kräfte im Erdinneren verschwinden und verformt, gequetscht und verändert werden oder in Wucherungen wieder auftauchen. Stabilität und Fragilität des verwendeten Materials spielen dabei eine große Rolle. Auch wenn Andreas My die verwendeten Werkstoffe dabei aus ihren ehemaligen Funktionszusammenhängen herauslöst, soll doch eine Erinnerung an ihren ursprünglichen Gebrauch bestehen bleiben. Bewegung und Wachstum, die Ausdehnung im Raum, Farbe und Form sind relevante Kriterien dieser plastischen Arbeit. Und letztlich stellt der Künstler die Frage nach physischer Existenz in einer digitalen Welt, nach den Grenzen des Materiellen und Immateriellen, die er an den Betrachter weitergibt.
Die Installation wird ergänzt durch Gespinste und Nester aus Garn, Zeichnungen und Objekte, die thematisch eng mit den archaischen Bauten verknüpft sind.

Zum Künstler:
Andreas My wurde 1961 in Waiblingen geboren. Er studierte von 1984 bis 1992 Freie Grafik und Malerei an der FH Köln bei Prof. Stefan Wewerka und Prof. Jörg Immendorff.
Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland Anfang der 1990er-Jahre. Bereits 1995 zeigte er in einer Einzelausstellung beim Brühler Kunstverein "Installation und Skulptur", damals in der Orangerie von Schloss Augustusburg.

Addition der feinsten Art

Von Petra Oelschlägel

Andreas My fügt Dinge aneinander: Nach dem Studium waren dies Filmstreifen und Blütenblätter, die er fein säuberlich mit Baumwollgarn zu Flächen zusammennähte, nun seit Jahren Kartonstreifen, die er zu dreidimensionalen Objekten auf- und aneinanderklebt.
Früh steht eine Faszination an feinen, transparenten Strukturen im Fokus, die der Künstler in der Zeichnung, in Fläche und Raum überprüft. Dabei gewinnt die Linie für ihn eine immer größere Bedeutung, was um 1999 zu einer Hinwendung zu feinen Garnen führt, die er - durch Weißleim gezogen - zu opulenten raumgreifenden Objekten verspannt. Der Klebstoff transformiert den weichen, der Schwerkraft folgenden Faden in eine wie schockgefrorene Starre, was wiederum die Möglichkeit eröffnet, organische Körper ganz unterschiedlicher Form und Komplexität zu erschaffen.
Zuweilen umschließen die Fadengespinste einen Hohlraum, in manchen Werken erkennt man eine Art von Kreuzschraffur, die für Stabilität sorgt. Mit Bedacht erlaubt sich der Künstler Spuren des getrockneten Leims zu hinterlassen, um die Konstruktion zu entlarven und den Entstehungsprozess offenzulegen.
Es gelang Andreas My, die gezeichnete Linie in den Raum zu überführen und körperhafte Gebilde zu erzeugen, die nicht als fest gefügte Skulptur, sondern dreidimensionale Gedankenskizze erscheinen und staunen lassen, wie das Konstrukt bei aller Fragilität die Form hält. Seine Objekte scheinen Statik und Schwerkraft zu überwinden und erobern Ideenräume.
Sie verheißen weiteres Wachsen und Entwickeln, wirken wie "work in progress", suggerieren aber gleichzeitig eine natürliche Verwurzelung, indem sie an Gewebe, molekulare Strukturen oder nestartige Gebilde erinnern. Zuweilen wirken diese im Spannungsverhältnis von "etwas" und "nichts" existierenden Konstrukte wie mikroskopische Vergrößerungen von Zellen.
Das Thema der Raumzeichnung - nicht als Zeichnung auf Papier, sondern tatsächlich als Linie im Raum - arbeitet Andreas My seit 2007 im Medium feiner und zwischenzeitlich feinster Kartonstreifen durch: Seine aus farbigen Kartonagen gefertigten Objekte erobern Wand und Boden, nehmen den Raum ein und hinterfragen klare Gattungsbegriffe von Zeichnung und Skulptur. Gleichzeitig sind sie farbintensiv wie die von My hoch geschätzte Malerei, da der Künstler bedruckte Kartonverpackungen als Basismaterial nutzt und somit Zugriff auf eine breite Palette von Farben aus der Konsumwelt hat.
Die Verpackungen von Windeln, Nudeln oder Konservendosen wählt My abhängig von der Stärke der verwendeten Pappe und der Farbe des Markenaufdrucks aus. Dabei tragen die Oberflächen - dem Medium Film vergleichbar - immer noch die "Botschaften und Verheißungen einer Warenwelt, die uns paradiesische Welten vorspiegelt" in sich. Der Künstler schneidet die Kartonagen mit dem Cuttermesser in kurze Stückchen oder in extrem dünne Streifen unterschiedlicher Länge, immer im rechten Winkel zur Welle. Die farbig changierenden Streifen und Stücke setzt er mit Bedacht ein, kann sie schichten oder auch biegen und bis zur Trocknung des Leims in der gewünschten Form fixieren. Für ihn verkörpern die so gebauten Objekte etwas von Haut, Mauer oder Grenze, manchmal ist das Innen und Außen nicht klar zu trennen. Stets kontrastieren aber "lebendige Form und tote Materie". Es geht Andreas My darum, aus einzelnen Stücken etwas Ganzes zu fertigen, und doch haftet seinen Arbeiten etwas Unvollendetes, Fragmentarisches an. Sie sind vergleichbar mit einer Zeichnung, die sich aus einzelnen Strichen zusammenfügt. In der Addition steht das Prozessuale im Vordergrund, sich in der Zeit wiederholende Handlungen sind ablesbar, Wachstum und Bewegung wird in seinen Objekten erfahrbar.
Erinnerungen an die frühere Existenz als Verpackungsmaterial haften den künstlich und künstlerisch geschaffenen Werken immer noch an. Material, Gewicht und Masse gelten My im Zeitalter virtueller Darstellbarkeit nur noch als beiläufige Phänomene. Seine Objekte vergleicht der Künstler gerne mit archäologischen Fundstücken, die eine Geschichte aus der Vergangenheit in sich tragen. Bei ihm sind sie jedoch mit neuer Bedeutung aufgeladen. Gerade dieser Aspekt des Überführens von Material in eine Ebene der Illusion ist dem Künstler, der es schätzt, "an der Grenze zum Nichts, der Grenze zum Banalen" zu arbeiten, wichtig.
Über die Jahre haben sich Mys Objekte stark verändert und differenziert. Von Werken, die durch Schichtung entstanden sind und deren Betrachter die farbig bedruckte Vorderseite entgegenstrecken, hat er sich der Verarbeitung immer feinerer Kartonstreifen zugewandt, die er mit der offenen Welle in den Raum weist. Mit der Reduktion der Streifenbreite steigert sich die Transparenz und Leichtigkeit dieser an Muscheln, Nester oder Kokons erinnernden Körper. Sie sind Hülle für etwas, Hülle von etwas oder auch nur Membran, die einem Unbekannten, Ungeformten Form verleihen und Einblick oder Durchblick gewähren. Häufig integriert er feines Baumwollgarn in seine Objekte, das sich Adern gleich darin ausbreitet. My schätzt die geringe Sichtbarkeit und Materialstärke der Fäden, sie sind nur latent präsent, zarte Spuren, die feine Schatten werfen.
Das Moment der Schwerelosigkeit unterstreicht der Künstler durch die schwebend anmutende Befestigung der Objekte auf dem Sockel, an der Wand oder auf dem Boden. Seine häufig als "3D gelb" oder "3D rot klein" bezeichneten, fast gewichtslosen Werke sind mit nur wenigen Nadeln fixiert und eröffnen Raum für ein belebtes Spiel von Licht und Schatten. Mit Bedacht wählt er farblich zusammenpassende Kartonstückchen, deren zarte Oberfläche man häufig lediglich im Anschnitt sieht, deren Farbklang das Objekt jedoch "stimmt" und auf die Wand sowie in den Raum abstrahlt.
Einem 3D-Drucker vergleichbar, der Pixel für Pixel ungeahnte Formen aufbauen kann, überführt My seine Streifen mittels der archaischen, Dreidimensionalität erzeugenden Kragsteintechnik in verzaubernde Körper. Form und Farbe klingen zusammen und richten die Assoziationen, sodass Bilder von Korallen und Unterwasserhöhlen, ein anderes Mal von Erdplatten, Kokons und Waben aufscheinen. Grundsätzlich erinnern die von ihm geschaffenen Skulpturen aber an vegetabile Formen, an Pflanzen, Zellen und Nester: Von Künstlerhand geschichtetes Material schafft "Natur".
So, wie My in den neunziger Jahren durch Zusammennähen eine fast durchsichtige, flächige Verbindung von Filmstreifen, Blütenblättern oder Bananen- und Mandarinenschalen schuf, hat er seit nunmehr zehn Jahren durch das additive Zusammenfügen von Kartonstreifen dreidimensionale Körper oder große Installationen geschaffen. Diese raumgreifende Form der Collage ist durch eine eigenwillige Art des Verklebens zustande gekommen, eine Technik des Zusammenfügens, die der Künstler zwischenzeitlich perfektioniert und seine Bestandteile bis auf mm-Stärke reduziert hat. Andreas Mys Art der Addition erfolgt derzeit - der Homöopathie vergleichbar - im feinstofflichen Bereich: Seine "Summanden" sind millimeterfeine Kartonelemente, die nicht durch Masse wirken, sondern eher durch die subtile Weitergabe einer Information von Form und Farbe an den Raum.

Weitere Infos zum Künstler: www.andreasmy.de

 

Bilder von der Eröffnung

Andreas My - Feld  ©BKV
Dr. Petra Oelschlägel (l), die kenntnisreich in die Ausstellung einführte, mit dem Künstler Andreas My
und der Kunstvereinsvorsitzenden Gaby Zimmermann


Andreas My - Feld  ©BKV
Zahlreiche Besucher bei der Vernissage am Sonntagvormittag


Andreas My - Feld  ©BKV
Andreas My musste bei der Hängung seiner großformatigen Zeichnung nachbessern.


Andreas My - Feld  ©BKV
Auch die Kunstvereinsmitglieder Helga Thomas-Berke und Robert Pinsdorf sind sehr an den Arbeiten
von Andreas My interessiert



Andreas My - Feld  ©BKV



Blick in die Ausstellung

Andreas My - Feld  ©BKV

Andreas My - Feld  ©BKV

Andreas My - Feld  ©BKV

Andreas My - Feld  ©BKV

Fotos: G.M.Wagner