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Gabriele Schulz - SchichtungenObjekte und WandarbeitenAusstellung vom 10. April bis 1. Mai 2016 Schichtungen, geologisch vorgegeben oder selbst erarbeitet, sind Themen im Werk der Künstlerin Gabriele Schulz aus dem Sauerland. Sie nutzt natürliche Materialien wie Reisig oder Schiefer sowie den Werkstoff Zellulose, den sie im Trocknungsprozess zur Form verdichtet und der seine sinnliche Präsenz aus der plastischen Qualität bezieht. Hinter der scheinbaren Einfachheit der Papierobjekte verbirgt sich ein komplexer Arbeitsprozess. Ihre Objekte sind massiv aufgebaut durch eine Schichtung der Zellulose, die sie aus Tageszeitungen gewinnt. Häuser, Schiefer/Stahl, 2014 © Gabriele Schulz Im Material Schiefer, das die Künstlerin für unterschiedliche Werkgruppen nutzt, ist die Schichtung erdgeschichtlich angelegt. Aus heimisch abgebautem Schiefer gestaltet Gabriele Schulz klar definierte Stelen, Hausformen und Wandarbeiten, die den Charakter des Tongesteins und seine besondere Struktur aufnehmen: geschichtete Zeit, die in den archaisch anmutenden Häusern oder den schlanken Stelen geheimnisvoll im Inneren geborgen scheint. Die Ausstellung findet im Rahmen des Projekts KUNSTACHSE NRW in Kooperation mit dem Hagenring e.V. statt. Es erscheint ein Katalog zum Preis von 8 Euro. Einführungsrede von Dr. Andrea BrockmannSchichtung lautet der passende und auf den Punkt gebrachte Titel der Ausstellung der Künstlerin Gabriele Schulz hier im Brühler Kunstverein sowie des begleitenden Katalogs der Kunstachse NRW. in ihren Werken bezieht sich der Begriff Schichtung zum ersten auf das Material. Gabriele Schulz arbeitet gerne und häufig mit Schiefer. Das blau-graue, seidig glänzende Gestein hat besondere Eigenschaften, eine lange erdgeschichtliche Entwicklung und sehr viel mit der Heimat der Künstlerin, dem Sauerland, zu tun.Bei genauerer Betrachtung von Schiefer fällt auf, dass das Gestein aus vielen aufeinanderliegenden Platten und blättchenartigen Strukturen besteht, deren mineralische Anordnung entweder ein linienhaftes Gefüge oder die Abfolge von Schieferungsflächen anzeigt. Vor rund 350 Millionen Jahren entstand durch unterschiedliche geologische Zufälle aus feinkörnigem Tonschlamm das Sedimentgestein Schiefer. Zunächst lagerte sich Tonschlamm im Meer ab. Das Material ist Verwitterungsschutt, der durch Wind und Flüsse vom Festland zum Meer transportiert und dort parallel in feinen Schichten abgelagert wurde. Mit zunehmendem Druck wurde der abgelagerte Tonschlamm immer mehr verdichtet, das enthaltene Wasser herausgepresst, der Schlamm in einen Tonstein und schließlich in Tonschiefer umgewandelt. Schiefer, der sich durch eine ausgeprägte Spaltbarkeit auszeichnet, wird heute in Deutschland noch in der Eifel, im Hunsrück, in Thüringen und im Sauerland abgebaut wird. Gabriele Schulz lebt im Sauerland, in Schmallenberg. Sie fährt 5 Kilometer zur Schiefergrube. Manchmal findet sie auf der hohen Abraumhalde passende Platten, Reste, Bruchstücke oder sie lässt sich gekauftes Material aus dem harten Qualitätsgestein zuschneiden. Die Fundstücke verarbeitet sie in Stelen, wie vor dem Eingang, und zu archaischen Häusern. Schwere Platten gestaltet sie als leichtes, fliegendes Wandobjekt oder sie arbeitet mit zugeschnittenen, von ihr fein geschliffenen Schieferkuben wie in ihrer neuesten Arbeit „Siedlung“. Der Begriff Schichtung verweist zum zweiten auch auf die Arbeitstechnik. Sie schichtet nicht nur Schiefer, sondern auch Papier als Zellulose. Hinter der scheinbaren Einfachheit der Papierobjekte (Mond, Mondvögel, Im Schilf) verbirgt sich ein komplexer Arbeitsprozess. Die Objekte sind massiv aufgebaut, d.h. durch eine Schichtung von Zellulosemasse, deren Grundstoff aus Tageszeitungen gewonnen ist, genauer: ausschließlich aus dem Papier der FAZ. Der Zellstoffbrei wird wiederholt aufgetragen, dabei mit Farbpigment versetzt, und dann getrocknet. Ein mitunter langwieriger Vorgang, der Konzentration, Übung, Geduld verlangt. Aus mehreren Lagen Zellulose gebildet, sind ihre Arbeiten räumliche Objekte, in denen sich die Farbe über mehrere Schichten hinweg entwickelt und dadurch eine besondere Präsnz und Sinnlichkeit erhält. Und all‘ die Schichten aus Zeitungpapier beinhalten, konservieren, verwahren mithin auch die dort abgedruckten Ereignisse, Meldungen, Nachrichten, die Welt in einem flüchtigen Moment bewegt haben. Sie überdauern nun in den Objekten, machen sie „gehaltvoll“. Und das weist auf die dritte Schichtung: die Bedeutungen, Intentionen, Aussagen, Bewusstseinsschichten ihrer Werke. Geschichte, kollektives Gedächtnis, Urgefühle, auch aktuelles Weltgeschehen sind Themen, die Gabriele Schulz beschäftigen. So hat sie 2014/2015 eine Installation aus Dutzenden von Schuhen, geformt aus Zellulose, geschaffen, die sehr eindrücklich und eindringlich die Situation der Millionen von geflüchteten Menschen auf der Welt – in der Vergangenheit und heute – visualisiert. Diese Installation hat sie u.a. in der Galerie des Hagenringes gezeigt. Auch die hier ausgestellten Häuser sind Sinnbild. Sie wirken auf ihren hohen filigranen Füßen wie über den Wogen des Meeres thronend und werden zur Metapher: Das Haus als menschliche Behausung, auch wenn die menschliche Figur völlig fehlt. Das Haus als Zeichen, als humanistisches Symbol, als Geborgenheit bietender Kubus. Diese Hausskulpturen wirken archaisch, wie aus der Zeit gefallen bzw. die Häuser sind Zeitspeicher, die die Geschichte, das kollektive Gedächtnis, die Erinnerung an die Ahnen sowie die Existenz im Diesseits über die Zeit in sich aufbewahren. Es sind Orte eines Lebens, die außen sehr verschlossen wirken, jedoch im Inneren erahnen wir Strukturen, Gänge, Treppen, Wege, die wir in unserem Leben gehen. Die Häuser besitzen eine gewisse schlichte Monumentalität, die sie zu Erinnerungszeichen macht, und nicht zuletzt eine Würde, die aus der einfachen, archaischen Formensprache herrührt. In der Kombination mehrerer dieser Plastiken zu einer Gruppe mit jeweils unterschiedlichen Formen und Höhen kann beinahe so etwas wie ein kleiner kultischer Platz entstehen, ein Ort, der Energien bündelt und verströmt. Das Motiv Haus erscheint auch in ihrer neuesten Arbeit „Siedlung“. Die Kuben aus Schiefergestein sind reduziert geformt, Pultdächer werden minimal andeutet, in anderen Hochhausarchitektur assoziiert. Ein Sonderling sticht unter den Hausformen hervor. Dieses Stück besteht aus gegossenem Kunstharz, das mit Schiefersplittern versetzt wurde. Zusammen ergibt das Ensemble eine Formation, die die Künstlerin „Siedlung“ nennt, mit der Bedeutung von Heimatort und Zuhausesein. Die Formensprache ist minimalistisch, die Aussage universell: wir leben in Gemeinschaft und im Miteinander, Heimatfinden und das Behaustsein als Teil unserer Geschichte: Vor ca. 12.000 Jahren tauschten die Menschen ihr Nomadentum gegen die Sesshaftigkeit in einer Gemeinschaft ein. Das Haus als formales Sinnbild hat eine bemerkenswerte Tradition in der zeitgenössischen Kunst, dabei denke ich u.a. an das Baumhaus von Timm Ulrichs, an Werner Pokornys Hausskulpturen oder die Installation „Reishaus“ aus weißem Marmor und Reis von Wolfgang Laib. Was sie alle mit den Häusern von Gabriele Schulz verbindet, ist die Reduktion auf den Prototyp, die einfachste Form von Haus, die ausreicht, um eine bestimmte Vorstellung in uns hervorzurufen. Und da ist noch eine vierte Schichtung: Auch das Leben der Künstlerin ist vielschichtig. Sie bereist die Welt, bewirtschaftet einen großen Garten und ein ungewöhnliches Haus, das sie mit großer Gastfreundschaft für viele Freunde öffnet und die sie mit einer hohen Kochkunst erfreut. Sie engagiert sich im Kunstverein der Stadt Schmallenberg, ist kulturell in Musik, Literatur, Kunst unterwegs, interessiert sich, spürt hinein, nimmt auf. Ihre künstlerische Tätigkeit hat sie zu Beginn der 1980er Jahre aufgenommen. Nach ersten Studien in der Werkstatt des Bildhauers Johannes Dröge in Sundern hat ihr vor allem das Studium der Bildhauerei an der Europäischen Kunstakademie Trier bei Pierre Weber entscheidende Impulse für ihr künstlerisches Schaffen gegeben. Seit Mitte der 1980er Jahre hat sie zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland bestritten und außerdem an verschiedenen Platzgestaltungen und Skulpturenprojekten mitgewirkt. Seit 1985 ist Gabriele Schulz Künstlermitglied im Hagenring und beteiligt sich regelmäßig an dessen Ausstellungen. Außerdem gehört sie der „Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler“ sowie der Gruppe „Sauerland Art“ an. Ein Besuch der Retrospektive von Agnes Martin, der 2004 verstorbenen amerikanischen Malerin, in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf Anfang März diesen Jahres hat Gabriele Schulz sehr beeindruckt. „Meditationen über Unschuld, Schönheit, Glück und Liebe“ nannte Agnes Martin ihre abstrakten Gemälde, deren Malerei mit den matten, vibrierenden Oberflächen und zarten Farbtöne oft kaum wahrnehmbar ist. Es ist ein der Abstraktion verpflichtetes Werk der leisen Töne, entwickelt im Umfeld von Abstraktem Expressionismus und minimalistischen Tendenzen. Und diese Tendenzen sind auch im Werk von Gabriele Schulz sichtbar, die in ihren farbdichten Papierobjekten eine formale Reduktion bei visueller Komplexität erreicht. Und noch einmal möchte ich Bezug auf Agnes Martin nehmen, die in ihrer Kunst auch immer mit dem Betrachter vor ihrem geistigen Auge arbeitete. Denn den wollte sie mit ihrer Kunst aktivieren. „Man wird leichter und leichter und möchte nichts anderes mehr. Jeder, der eine Weile auf einem Stein auf einem Feld sitzen kann, kann auch meine Bilder anschauen.“ Auch die Kunst von Gabriele Schulz fordert auf, sich Zeit zu nehmen, sich einzulassen, zu spüren, zu sehen, in sich hineinzuhören. Betrachten Sie das Werk „Im Schilf“. Hier erzeugt die Künstlerin auf der Oberfläche einen eigenen Raum pulsierender Bewegung, in den sich der Betrachter versenken und sich ganz der empfindenden Anschauung hingeben kann. Mit dieser Arbeit assoziiert die Künstlerin Wasser, und zwar ein ganz bestimmtes Bild von Wasser, den Moment, wenn man dicht am Ufer stehend zwischen Schilfpflanzen hindurchschaut und die leicht durch den Wind bewegte Oberfläche eines Sees oder Flusses beobachtet. Und hören Sie nicht auch dazu das leise Rascheln der Schilfgräser? Dr. Andrea Brockmann, 10. April 2016 |
Bilder von der EröffnungDie Kunstvereinsvorsitzende Gaby Zimmermann (l) und die Künstlerin Gabriele Schulz Dr. Andrea Brockmann führte kenntnisreich und anschaulich in das Werk der Künstlerin ein. Besucherin vor den Arbeiten von Gabriele Schulz Blick in die AusstellungArbeiten von Gabriele Schulz in der Alten Schlosserei Bilder: G.M.Wagner |
Der Brühler Bürgermeister Dieter Freytag erinnerte als Schirmherr der Kunstachse NRW an deren zehnjähriges Bestehen. Viele Vernissage-Besucher in der Alten Schlosserei |